Kölner Kalif verurteilt

Lebenslang für Metin Kaplan. Istanbuler Gericht sieht Tatbestand des Hochverrats erfüllt. Verteidiger: Geständnisse kamen durch Folter zustande

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

„Inschallah, Inschallah (hoffentlich, so Gott will)“ raunte es im Gerichtssaal, als Metin Kaplan den baldigen Gottesstaat am Bosporus voraussagte. Die Anhänger des selbst ernannten Kalifen von Köln waren begeistert über das furiose Schlusswort ihres Idols. Ein Schlusswort, das letztlich mit dazu beigetragen hat, dass der Sektenführer wohl den Rest seines Lebens hinter Gitter verbringen wird. Denn die Richter des Istanbuler Gerichts für schwere Straftaten waren keineswegs begeistert. Mit steinernen Mienen verfolgten sie die Tiraden des „Kalifen“ und lehnten nicht zuletzt wegen jeden Mangels an Reue eine Strafminderung für Metin Kaplan ab. Nach einer zwölfstündigen Marathonverhandlung fiel dann am Montag Abend das Urteil: Der im letzten Oktober aus Deutschland an die Türkei ausgelieferte Kaplan wurde zu „erschwerter Lebenslanger Haft“ verurteilt. Vorzeitige Haftentlassungen sind damit ausgeschlossen.

Hüsnü Tuna, der Anwalt Kaplans, kündigte noch in der Nacht an, sein Mandant werde in die Revision gehen. Entgegen den Zusagen, die die türkische Regierung gegenüber der Bundesregierung gemacht habe, hätte Kaplan in Istanbul keinen „fairen Prozess“ bekommen. „Das Urteil“ so Tuna, „hat von Anfang an festgestanden“. Mit demselben Argument hatten die Verteidiger Kaplans am Montagnachmittag in einem letzten Manöver versucht, die Urteilsverkündung zu verhindern, indem sie einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter stellten.

Hauptargument der Verteidigung ist, dass zur Verurteilung Kaplans auf einen Prozess im Jahr 1998/99 zurückgegriffen wurde, bei dem Anhänger Kaplans bestraft worden waren, weil sie angeblich auf seine Anweisung hin einen bewaffneten Umsturz vorbereitet hatten. Dieser Plan sah vor, ein mit Sprengstoff beladenes Kleinflugzeug während der Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Republik in die versammelte staatliche Prominenz zu stürzen und gleichzeitig die zentrale Istanbuler Fatih-Moschee zu besetzen, um von deren Minaretten den Gottesstaat auszurufen. Die Verteidiger verwiesen darauf, dass mehrere damals vor Gericht verwendete Geständnisse unter Folter zustande gekommen seien und deshalb nicht verwendet werden dürften. „Diese Geständnisse“, so Hüsnü Tuna, „sind aus den Akten nicht entfernt worden.“ Bei dem Prozess gegen Kaplan sei vielmehr das damalige Urteil als richtig unterstellt worden.

Kaplan selbst behauptete in seinem Schlussplädoyer, er habe keine Befehle zu einem Umsturz gegeben. Sollten Anhänger von ihm überhaupt jemals etwas derartiges geplant haben, hätten sie dies ohne seine Kenntnis getan. Wahrscheinlich sei aber alles sowieso nur ein „Komplott des türkischen Geheimdienstes, die die Waffen, die im Garten der Fatih-Moschee gefunden wurden, selbst dort vergraben haben“. Er hoffe zwar, dass „der jetzige Bordellstaat in der Türkei bald von einem Gottesstaat hinweggefegt wird“, doch er kämpfe „mit der Feder und nicht mit der Waffe“.

Bei der Urteilsbegründung tauchte dann das Urteil des damaligen Staatssicherheitsgerichts als ein Punkt unter vielen auf, die als Beweis dienten, dass Metin Kaplan aktiv einen Umsturz der staatlichen Ordnung betreibe und damit den Tatbestand des Hochverrats erfülle. In der türkischen Öffentlichkeit spielte die Verurteilung Kaplans gestern keine große Rolle. „Die Schwarze Stimme ist verurteilt“, meldet Hürriyet kommentarlos.

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