das wird
: „Kein richtiges Zuhause“

Kunstfilm-Kuratorin Christine Rüffert über 30 Jahre Engagement fürs Leinwand-Experiment

Foto: Beate C. Koehler

Christine Rüffert

Jahrgang 1956 ist Filmkuratorin und Filmwissenschaftlerin. Seit 1992 betreibt sie das von ihr begründete Experimentalfilmforum „film:art“.

Interview Wilfried Hippen

taz: Christine Rüffert, in 30 Jahren 175 Veranstaltungen, bei denen über 1.200 Experimentalfilme gezeigt wurden. Wie kam es dazu eigentlich?

Christine Rüffert: Der Auftakt war, dass ich von der Direktorin des 1992 neugegründeten Kunstmuseums Weserburg Hanne Zech gefragt wurde, ob ich nicht eine Reihe mit Experimentalfilmen zeigen wollte. Es war damals ungewöhnlich, dass ein Museum für zeitgenössische Kunst dazu einlud. Nach zehn wunderbaren Jahren, in denen ich einen Etat hatte und Gäste einladen konnte, musste ich dort aufhören und bin wieder zurück ins Kino, wo ich ja eigentlich auch herkomme. Und das ist ganz bezeichnend für den Experimentalfilm, der ja nie irgendwo ein richtiges Zuhause hatte.

Warum hatte es der Experimentalfilm so schwer – sogar in der Kunstszene?

Das ist eine sehr seltsam Sache, die mit dem Ansehen des Films an sich zu tun hat: Die ersten Experimentalfilmer in den 1920er-Jahren waren ja Künstler, die dieses neue Medium für sich entdeckt hatten. Aber der Film hatte immer den Ruf, dass er vom Jahrmarkt kommt und nur Unterhaltung bietet. Als Kunstwerk wurde er immer wieder in Frage gestellt.

Im Kino hat experimenteller Film es aber auch schwer.

Im etablierten Kino kommt er eigentlich gar nicht vor. Es müssen immer verrückte oder begeisterte Ku­ra­to­r*in­nen kommen, die sich seiner annehmen. Und in Deutschland passierte das häufig in den großen kommunalen Kinos – eben auch in Bremen.

Was genau ist die Aufgabe der Kuratorin solcher Programme?

Kurzfilmprogramme „30 years of curating film:art“. Teil 1 („The Pleasure Dome): Fr., 4. 11., 17.30 Uhr; Teil 2 (Me, Myself and Them): 20 Uhr, Bremen, City 46

Dazu gehört eine spezielle Fähigkeit, die sich vom Kuratieren in Museen unterscheidet, weil es eine zeitliche Abfolge der Filme gibt. Das ist dann so, als würde ich einen eigenen Film montieren. Ich habe eine kuratorische Idee, und der ordne ich diese Kunstwerke unter. Und ich muss auf viele Dinge achten, damit das funktioniert, sodass es für das Publikum interessant ist, ästhetischen Mehrwert bietet und unterhaltsam ist.

Nun scheint Unterhaltung nicht das Ziel aller Ex­pe­ri­men­tal­fil­me­r*in­nen zu sein. Wie gehen Sie damit um?

Ich versuche das Publikum mit seinen psychischen und emotionalen Befindlichkeiten nicht zu überfordern. Aber ich glaube fest daran, dass diese Andersartigkeit und Provokation, dieses Brechen mit den Sehgewohnheiten bereichernd sein kann. Das ist ja eine Erfahrung mit Kunst überhaupt. Manchmal finden Zu­schaue­r*in­nen ganz überraschend etwas, das ihnen gefällt, ohne dass sie es dann in Worte fassen können.