Metaller im Funkloch

Die Siemens AG nennt die Zukunft des Kamp-Lintforter Mobiltelefonwerkes „ungewiss“. Ab Sommer 2006 könne der neue Eigentümer BenQ machen, was er wolle. IG Metall verlangt Nachbesserungen

VON ELMAR KOK

„Was nach Juni 2006 ist, wissen wir nicht“, sagt Siemens-Sprecher Michael Scheuer zur Zukunft des Siemens-Standortes Kamp-Lintfort. Der Münchener Konzern hatte angekündigt, seine defizitäre Mobilfunksparte mit dem Kamp-Linforter Werk an den taiwanesischen Konzern BenQ verkaufen zu wollen. Davon sind mehr als 2.000 Arbeitnehmer betroffen. Im Jahr 2004 hatten die Siemens-Beschäftigten einer Rückkehr zur 40-Stunden Woche ohne Lohnausgleich zugestimmt, statt Weihnachts- und Urlaubsgeld bekommen sie seitdem eine erfolgsabhängige Jahreszahlung. Im Gegenzug verzichtete Siemens auf die Verlagerung der Produktion nach Ungarn. Der damals beschlossene Ergänzungstarifvertrag ist noch bis Ende Juni 2006 gültig. Danach könnte es in Kamp-Lintfort zu Entlassungen kommen.

Nach Presseberichten soll BenQ-Chef Kuen-Yao Lee der taiwanesischen Zeitung Business Today gesagt haben, die Mobiltelefon-Produktion in Deutschland um die Hälfte zu kürzen. Ein Übersetzungsfehler, der über eine andere Veröffentlichung schon korrigiert worden sei, so Scheuer. Wo und wann sich Lee korrigiert haben soll, weiß der Siemens-Sprecher aber nicht.

Die durch die Statements aufgeschreckten Arbeitnehmer überlegen nun, den Ergänzungstarifvertrag vorzeitig zu kündigen – sollte sich Siemens und später BenQ nicht dazu durchringen, „belastbare Vereinbarungen“ für den Standort zu zusichern, wie die IG Metall mitteilt. Die Gewerkschaft hat bei der Düsseldorfer Anwaltskanzlei Schneider & Schwegler ein Gutachten anfertigen lassen, dass zu dem Schluss kommt, die Gewerkschaft habe das Recht, den Vertrag zu kündigen. Denn wenn die Beschäftigten von der Verkaufsabsicht des Siemens-Konzerns gewusst hätten, wäre der Ergänzungstarifvertrag nie Zustande gekommen, argumentiert die Gewerkschaft.

Jetzt will die IG Metall, dass Siemens Zugeständnisse macht. „Während der neue Eigentümer von Siemens 300 Millionen Euro bekommen hat, haben die Beschäftigten für ihr Engagement nichts gesehen“, sagt Wolfgang Nettelstroth, Sprecher der IG Metall in NRW. Sollte es wegen der Übernahme durch BenQ zu Entlassungen kommen, gebe es kein Geld für Sozialpläne. „Wir erwarten von Siemens, dass es bis zum 07.07. zu einem befriedigendem Angebot für die Beschäftigten kommt“, sagt Nettelstroth. „Hat Siemens bis zu diesem Zeitpunkt kein entsprechendes Angebot zur Wiederherstellung der Rahmenbedingungen vorgelegt, gehen wir davon aus, dass man nicht an ernsthaften Verhandlungen interessiert ist“, sagt Heinz Cholewa, erster Bevollmächtigter der IG Metall in Bocholt. Zudem kritisieren die Metaller, dass Siemens nicht an den Standorten in Innovationen investiert habe. Von den zugesagten 30 Millionen Euro sind nach Angaben von Siemens-Sprecher Scheuer zwar über 20 Millionen Euro investiert worden, allerdings in „Gebäude und Bestückautomaten“.

BenQ selbst scheint der Streit nicht sonderlich zu interessieren. Julia Bouwman, Sprecherin von BenQ Deutschland, weiß weder etwas von einem Übersetzungsfehler, noch von einem Dementi der Kürzungspläne durch ihren Chef. „Ich hoffe, dass ich Herrn Lee bis Freitag sprechen kann“, sagt Bouwman.