Neonazis mit ihrer Einstiegsdroge kontern

„Wisst ihr eigentlich, was ihr da sagt?“ Schüler lernen bei einem Präventionsprojekt des Landeskriminalamts Niedersachsen, mit Rechten zu diskutieren. Andere produzieren eine CD oder erstellen eine Datenbank

„Früher war es schlimm bei uns“, sagt die 17-jährige Ilka Oelrichs aus Wiesmoor. An der Gesamtschule der kleinen Gemeinde in Ostfriesland sorgten immer wieder rechtsextreme Schüler für Ärger: Schlägereien im Bus, Pöbeleien auf dem Schulhof, Schmierereien an den Wänden. Doch seitdem Ilka und viele ihrer Mitschüler etwas tun, sind die Rechten auf dem Rückzug.

„Wisst ihr eigentlich, was ihr da sagt?“, stellt die 17-Jährige mittlerweile jeden zur Rede, der braune Parolen aufgreift. Nun kann Ilka argumentieren, wenn es mal wieder gegen Ausländer oder Schwule geht. Das hat sie beim „Präventionsprojekt gegen Rechtsextremismus“ gelernt, das das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen vor drei Jahren ins Leben rief.

Es greift die Rechten mit ihren eigenen Mitteln an. „Die versuchen, Kinder und Jugendliche über Musik, Internet und Diskussionen mit rechtsextremistischem Gedankengut zu infizieren“, sagt die Leiterin des Präventionsdezernats beim LKA, Rita Salgmann. Im Kampf gegen Rechtsextremismus sollten Schulen nicht nur aufklären, sondern auch Gefühle der Jugendlichen ansprechen, so Salgmann.

Mit Expertenrat und Geld hat die Polizei Aktionen im Land gefördert, 68.000 Euro gaben Sponsoren. Projektwochen gegen Fremdenfeindlichkeit und spezielle Unterrichtsangebote waren das Ergebnis in Wiesmoor. Celler Schüler produzierten eine CD. „Farbe bekennen“ sollten sie, drei Tage lang bastelten sie mit Profimusikern an Songs für mehr Toleranz. „Die Musik ist die Einstiegsdroge in die rechte Szene“, sagt Uli Siekmann von der Jugendarbeit der Stadt Celle. Er bildete Kollegen in Konfliktvermittelung fort – „Multiplikatoren gegen Rechts“.

„Wir wollen eine Präventionskultur auch in Betrieben und Berufsschulen etablieren“, sagt Reinhard Koch von der Braunschweiger „Arbeitsstelle gegen Rechtsextremismus“. Arbeitsrechtliche Sanktionen gegen Rechte seien der falsche Weg. Deshalb hat Koch mit Berufsschülern eine Datenbank für Azubis, die etwas gegen Fremdenfeindlichkeit am Arbeitsplatz tun möchten, erstellt. Die Pilotphase für das Projekt ist abgeschlossen, jetzt sollen andere Schulen von den Erkenntnissen profitieren. LKA-Dezernatsleiterin Salgmann hat eine Vision: „Erst eine Schule, dann ein Dorf und hoffentlich bald das ganze Land.“

Lukas Sander

www.lka.niedersachsen.de/praegerex/index.htm/ www.datarex.info.