EU-Energieminister: Deckel ohne Wumms

Bei der neuerlichen Konferenz in Luxemburg fehlt der letzte Beschluss – einig sind sich die Minister vorerst lediglich darin, dass der Preis fürs Gas sinken soll

Auch voll schön: der Mond hinter einem Hochspannungsmast in Erfurt Foto: imago

Aus Brüssel Eric Bonse

Ein europäischer Gaspreisdeckel lässt weiter auf sich warten. Bei einem Treffen am Dienstag in Luxemburg stellten die 27 EU-Energieminister das umstrittene Thema, das schon den EU-Gipfel am vergangenen Freitag in Brüssel beschäftigt hatte, zunächst noch einmal zurück. Im Vordergrund stand der gemeinsame Einkauf von Gas zu günstigeren Preisen.

Der deutsche Energieminister Robert Habeck (Grüne) sprach sich für einen verpflichtenden gemeinsamen Gaseinkauf aus. Dies sei „der effizienteste Weg“, um die Preise zu senken, sagte Habeck zu Beginn des Ministertreffens. Europa habe „eine große Marktmacht“, betonte er. Einkaufsgemeinschaften „bringen die Preise nach unten“.

Ein fixer Preisdeckel sei hingegen „nicht das richtige Ins­trument“, so Habeck. Deswegen sollte zunächst lediglich an dynamischen Obergrenzen gearbeitet werden, die spekulative Ausschläge an den Börsen verhindern könnten. Für diesen Ansatz hatte sich beim Gipfeltreffen bereits Bundeskanzler Olaf Scholz ausgesprochen.

Allerdings ist unklar, wie ein solcher „dynamischer“ Deckel funktionieren soll. Bisher hat die EU noch nicht definiert, was sie mit spekulativen Ausschlägen meint und ab wann der Gaspreis gedeckelt werden soll. Zudem hat es die Politik derzeit nicht mehr eilig, da der Gaspreis an den Märkten deutlich gesunken ist.

An der niederländischen Gasbörse TTF war der Preis am Montag unter die 100-Euro-Marke pro Megawattstunde gesunken. Noch im August hatte er zeitweise bei deutlich mehr als 300 Euro gelegen.

Allerdings schlägt sich der sinkende Marktpreis nicht sofort auf die Verbraucher nieder. Im Gegenteil: Solange es keine verbindliche Obergrenze gibt, müssen Bürger und Unternehmen weiter mit extrem hohen Energierechnungen leben.

Der sinkende Großhandelspreis sei „für die Verbraucher erst eine mittelfristig gute Nachricht, weil die hohen Preise aus dem letzten Jahr im nächsten Jahr noch anfallen werden“, räumte Habeck ein. Für die Märkte sei dies allerdings dennoch ein starkes Zeichen. Man habe zuletzt einen regelrechten Preissturz erlebt.

Unklar ist, wie lange dieser positive Effekt anhält. Im Dezember tritt das bereits im Sommer beschlossene europäische Ölembargo gegen Russland in Kraft, Anfang 2023 auch ein Importverbot für Diesel. Doch beim Diesel gehen die Preise jetzt schon in die Höhe. Auch der Gaspreis kann schnell wieder steigen, etwa wenn es zu einem ersten winterlichen Kälteeinbruch kommt.

Ein zu rigider Preisdeckel könnte den Energie­verbrauch hoch treiben

Angesichts dieser Unsicherheit hatten sich viele EU-Staaten beim Gipfeltreffen am vergangenen Freitag für einen verbindlichen Gaspreisdeckel eingesetzt. Im Gespräch war auch das „Iberische Modell“, bei dem der Gaspreis für die Stromerzeugung begrenzt wird, was zu einem niedrigeren Strompreis beiträgt. Die EU-Kommission wurde beauftragt, eine Ausweitung dieses Modells auf die gesamte EU zu prüfen.

In einem „Non-Paper“, das dieser Zeitung vorliegt, erhebt die Brüsseler Behörde jedoch Einwände gegen den Plan, der in Spanien und Portugal bereits erfolgreich umgesetzt wird. Ein allzu rigider Preisdeckel könne dazu führen, dass der Energieverbrauch steigt, statt wie gewünscht zu fallen, heißt es in dem Papier.

Effizient wäre dieses Modell außerdem nur, wenn sich Drittstaaten wie Großbritannien oder die Schweiz anschließen. Dies ist jedoch unwahrscheinlich: Beide Länder gehören nicht der EU an und sind nicht an EU-Beschlüsse gebunden.

Die Suche nach wirksamen Maßnahmen gegen die Energiekrise geht also weiter. Während sich die Deutschen dank der Ampel auf den „Doppelwumms“ durch die bis zu 200 Milliarden Euro teure nationale Gaspreisbremse freuen dürfen, müssen die meisten EU-Länder weiter mit einem vagen europäischen Deckel ohne Wumms auskommen. Daher rührt auch der allgemeine Unmut. Denn das deutsche Hilfsprogramm können sie sich schlicht nicht leisten.