ORTSTERMIN: TANZEN IN DER MITTAGSPAUSE
: Wenn es im Club nur Wasser gibt

Das Tanzvergnügen soll den verschiedensten Arbeitsorten nahe sein – im räumlichen Sinne

Wummernde Bässe lassen den Boden vibrieren, kleine Lichtpunkte krabbeln über die Tanzfläche, die vor lauter Füßen aber kaum zu sehen ist. Der Raum ist schummrig-rötlich beleuchtet. Auf den ersten Blick ist es ein ganz normaler Donnerstag im „Fundbureau“, einem kleinen Musikklub an der Hamburger Sternbrücke. Nur: Die Uhr zeigt zwölf. Am Mittag.

„Lunch Beat“, heißt das aus Schweden importierte Konzept für eine eher ungewöhnlichen Mittagspause: Genau eine Stunde lang öffnet ein Club seine Pforten, um die Tanzbegeisterten unter der arbeitenden Bevölkerung zu empfangen. „If it’s your first lunch beat, you have to dance“, lautet die erste Regel der Veranstaltung. Zehn gibt es insgesamt.

Zu einer Mittagspause gehört Essen, klar. Es ist in den zwölf Euro Eintritt inbegriffen. Die Schlange an der Ausgabe reicht bis in den taghellen, rot gestrichenen Vorraum. Ein Endzwanziger lässt sich von einer blonden Frau mit Kochschürze Woknudeln mit Currysoße und Koriander reichen. Hinter ihm wendet eine Frau, Mitte Dreißig, im roten Etuikleid mit kritischem Blick ein dreieckiges Reis-Sandwich der Sorte Thunfisch-Kapern in der Hand.

Fast alle Gäste sind in Gruppen zu zwei bis vier Kollegen oder Freunden gekommen, die meisten zum ersten Mal. Zu sphärischen House-Klängen wippen sie von einem Bein auf das andere und halten sich an ihren Flaschen fest. Auf der Theke klebt ein Zettel: „Wasser ist umsonst“. Alkohol wird aus Prinzip nicht ausgeschenkt, anschließend soll ja weiter gearbeitet werden.

Über die Arbeit zu sprechen, ist umso verbotener. Trotzdem erzählt ein Anzugträger, Lederschuhe und Föhnfrisur, seiner hochhackig beschuhten Begleitung etwas von einem „Termin um halb drei“.

Über ihnen allen thront DJ Doctor Dru an seinem Mischpult neben der großen Diskokugel. Er beobachtet die Menge, die abends sicher mehr Körpereinsatz beim Tanzen zeigen würde. Unter ihnen ist der Anzugmann eher die Ausnahme. Die meisten sind in Jeans und Hemd, Bluse oder T-Shirt gekommen. Um halb eins bewegen sich fast alle der Gäste – wenigstens ein bisschen.

Der Bar- und Essensraum liegt nahezu verwaist da. Vereinzelt tröpfeln die ersten Grüppchen zurück zur Garderobe. Lachend passieren sie die Stellwände am Eingang, die von der erklärten Wohltätigkeit der Veranstaltung sprechen: Nach dem Brunnenbauprojekt „Viva con Agua“ profitiert diesmal, beim zweiten Hamburger Lunch Beat, die Welthungerhilfe. Sie bekommt, was von den Einnahmen übrig ist, nachdem der DJ, das Catering und das Fundbureau bezahlt sind.

Wechseln soll künftig auch der Veranstaltungsort, das ist die Idee der Veranstalter: Das Tanzvergnügen soll den verschiedensten Arbeitsorten nahe sein – im räumlichen Sinne. Denn wer nur eine Stunde Mittagspause hat, kann keine halbe Stunde Weg auf sich nehmen.

Um Punkt 13 Uhr stürmen dann auch die Letzten wieder durch die stickerbeklebte Tür hinaus in den gräulichen, wolkenverhangenen Alltag. „Ich hab mich jetzt richtig wach getanzt!“, ruft ein Mädchen mit Dutt und in geblümtem Rock ihrer Freundin zu. In verschiedene Richtungen entschwinden die beiden – zurück an die Arbeit.  SMW