Kritischer Fußballfan über Katar: „Bayern kritisiert gar nichts“
Michael Ott ist Mitglied des FC Bayern. Warum er auf der Jahreshauptversammlung das Katar-Sponsoring ansprechen will, erklärt er im taz-Interview.
taz: Herr Ott, welche Pläne haben Sie für die Jahreshauptversammlung?
Michael Ott: Es steht ja die Wiederwahl des Präsidiums an. Davor werde ich von meinem Rederecht Gebrauch machen und Präsident Herbert Hainer sowie die Vizepräsidenten Dieter Mayer und Walter Mennekes befragen, wofür sie eigentlich stehen.
Können Sie das konkretisieren?
Beim FC Bayern ist es so, dass in den ersten Wahlgängen ausschließlich der Verwaltungsbeirat die Kandidaten fürs Präsidium vorschlägt. Der Verwaltungsbeirat wird wiederum vom Präsidium ernannt. Es gibt für die einfachen Mitglieder also kaum eine Gelegenheit, darauf Einfluss zu nehmen. Deswegen finde ich, dass man diese Chance nutzen muss, um die zur Wahl stehenden Personen zumindest kritisch zu hinterfragen.
Warum sind Sie sicher, dass der FC Bayern Ihnen diese Möglichkeit einräumen wird?
Bei der JHV 2021 war es rein faktisch nicht möglich, spontan in einem beliebigen Tagesordnungspunkt das Wort zu ergreifen. Mitglieder haben aber ein Rederecht in jedem Tagesordnungspunkt, das wissen viele leider nicht. Der FC Bayern hat zugesichert, dass dies von nun an ermöglicht werden soll.
Wie wollen Sie Ihre Redezeit konkret nutzen?
Ich habe nicht geplant, eine lange Rede zu halten. Stattdessen möchte ich dem Präsidium einige prägnante Fragen stellen. Das haben vermutlich auch andere Mitglieder vor.
Welche Fragen wollen Sie stellen?
Das steht noch nicht ganz fest. Ich werde aber mit Sicherheit die Themen aufgreifen, die mir am Herzen liegen, also vor allem das Katar-Sponsoring.
ist seit 2007 Mitglied beim FC Bayern. Auf der Jahreshauptversammlung 2021 initiierte der Rechtsanwalt einen Antrag für die Beendigung des Sponorings aus Katar.
Was für eine Stimmung erwarten Sie?
Ich glaube schon, dass es diesmal geordneter ablaufen wird als 2021. Allein schon, weil sich das Präsidium anders verhalten dürfte. Völlig ruhig wird es vielleicht trotzdem nicht bleiben. Möglicherweise gibt es auch diesmal Buhrufe beim Katar-Thema, vielleicht aber auch mehr Unterstützung für das Präsidium und den Vorstand, falls diesmal mehr Mitglieder kommen, die weniger kritisch denken.
Wie empfinden Sie den Umgang des FC Bayern mit dem Streitthema Katar seit den Tumulten 2021?
Da bin ich zwiegespalten. Einerseits nimmt der Verein das Thema nun ernster als früher. Vor der Jahreshauptversammlung 2021 hatte sich der FC Bayern dazu nie auf einer Podiumsdiskussion gestellt. Es ist ein Fortschritt, dass das inzwischen geht. Andererseits kann ich nach wie vor nicht einschätzen, ob dies nicht doch vor allem der Außendarstellung dient. Oder ob man die Kritik der Fans so ernst nimmt, dass man sie auch wirklich in den Entscheidungen berücksichtigen will.
Können Sie nachvollziehen, dass der FC Bayern auf das Sponsoring-Geld aus Katar nicht verzichten möchte, um wirtschaftlich nicht noch mehr ins Hintertreffen zu geraten gegenüber Vereinen mit arabischen Investoren wie Paris Saint-Germain oder Manchester City?
Nein, das kann ich nicht nachvollziehen. Den Rahmen, in dem man sich bewegen sollte, setzen die Menschenrechte. Wenn man für ein Regime, das Menschenrechte massiv verletzt, Imagewäsche betreibt, dann stützt man dieses Regime und beteiligt sich damit indirekt an der Verletzung der Menschenrechte. Das ist inakzeptabel. Ganz abgesehen davon, dass das Geld aus Katar nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann. Die wirtschaftliche Lücke zu den genannten Vereinen schließt das nicht mal im Ansatz.
Die finanzielle Ungleichheit im europäischen Fußball behebt man nicht, indem man auf Teufel komm raus sämtliche Werte verkauft. Zudem wird Katar dem FC Bayern niemals so viel Geld zahlen wie Paris Saint-Germain. Langfristig können wir mit denen im aktuellen Fußballsystem finanziell einfach nicht mithalten. Da könnten wir noch so viel Trikotfläche an fragwürdige Sponsoren verkaufen. Die einzige Lösung wären strengere Regeln zur Finanzierung von Fußballklubs.
Wie empfinden Sie die jüngsten Äußerungen von Uli Hoeneß, wonach sich durch die WM und den FC Bayern Verbesserungen in Katar eingestellt hätten, anders als in anderen Ländern der Region?
Diese Argumentation ist nur teilweise richtig. Ja, in Katar ändert sich wohl mehr als in anderen Ländern der Region. Aber ich finde es schon bemerkenswert, dass der FC Bayern für sich in Anspruch nimmt, zu Veränderungen beizutragen, obwohl er diese gar nicht anstößt. Sie meinen die fehlende Kritik. Wenn man Experten fragt, bestätigen diese immer wieder, dass sich in den Golfstaaten nur durch öffentlichen Druck etwas ändert.
Diesen öffentlichen Druck schaffen ja die Fans, die Medien, die NGOs, die die Verhältnisse in Katar öffentlich kritisieren. Der FC Bayern kritisiert gar nichts. Wenn man dem Bild folgt, das der FC Bayern in seinen Klubmedien entwirft, dann entsteht da überhaupt kein Druck auf Katar. Gleichzeitig aber die Erfolge anderer für sich in Anspruch zu nehmen, finde ich fragwürdig, wenn man sich nicht am öffentlichen Druck beteiligt. Dann ist es scheinheilig, die Lorbeeren einzuheimsen.
Und die WM?
Die WM ist natürlich schon ein großer Aufmerksamkeitsfaktor. Aber auch die Fifa versucht ja abzulenken von den Problemen in Katar und tut so, als sei alles gut. Und ob die zaghaften Fortschritte in Katar nach der WM wirklich bestehen bleiben, kann man seriös nicht prognostizieren.
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