Deutscher Zweikampf an der Weltspitze

Bei der Bahnrad-WM machen sich Emma Hinze und Lea Sophie Friedrich den Erfolg streitig

Die Erwartungen an die deutschen Bahnradfahrerinnen sind vor der am Mittwoch beginnenden Weltmeisterschaft in Saint-Quentin-en-Yvelines nahe Paris immens. Im vergangenen Jahr hatten die Athletinnen des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) schon bei der WM im französischen Roubaix in allen Sprint-Disziplinen Gold gewonnen. Lea Sophie Friedrich und Emma Hinze stachen dabei heraus. Und vor wenigen Wochen zählten die beiden bei den in Deutschland viel beachteten European Games in München zu den Stars. Hinze holte dreimal Gold, Friedrich zweimal.

Die beiden Deutschen stehen in einer besonderen Konkurrenzsituation zueinander. Ein Problem? „Wir sind befreundet und frühstücken jeden Tag zusammen“, scherzt Hinze mit Blick auf ihr – intaktes – Verhältnis zu Teamkollegin Friedrich. Bei den letzten beiden Weltmeisterschaften in Berlin und Roubaix teilten sie sich alle Titel im Kurzzeitbereich untereinander auf, 5:5 lautet die Bilanz gemessen an den WM-Erfolgen. In der neu gegründeten und lukrativen Champions League hatte aber Hinze knapp die Nase vorn.

„Wenn wir auf der Bahn gegeneinander fahren, gibt es keine Freundschaft“, sagt Friedrich. „Natürlich ist das nicht leicht, aber auf der Bahn ist jeder in seinem Fokus.“ Sonst sei aber alles ganz normal beim gemeinsamen Training in Cottbus. Beide kennen sich durch viele Duelle aus dem Effeff. „Natürlich guckt man, was machen die anderen“, sagt Hinze. Aber es bringe oftmals nichts, sich eine Sache abzuschauen. Denn das große Ganze hinter dem Plan sei entscheidend.

Und dieser Plan ist bei beiden erstaunlich gut aufgegangen. Dabei waren die Befürchtungen groß, dass nach dem tragischen Trainingsunfall von Rekord-Weltmeisterin Kristina Vogel 2018 die goldenen Jahre vorbei sind. Doch Sportsoldatin Hinze und Polizeimeisterin Friedrich schafften binnen kürzester Zeit den Sprung in die Weltspitze. Dabei ist Hinze gerade erst 25 Jahre alt geworden, Friedrich ist gar noch zweieinhalb Jahre jünger.

Entsprechend groß sind die Ziele vor den Titelkämpfen auf der Olympiabahn vor den Toren von Paris. „Ich wäre nicht zufrieden, wenn ich einfach nur mit Bronze nach Hause kommen würde“, betont Hinze.Wenngleich es der neue Bundestrainer Jan van Eijden vermessen hält, wieder von allen vier Titeln zu sprechen. Der frühere Sprintweltmeister, der einst die Briten zu großem Ruhm führte, hat beim BDR eine Luxussituation vorgefunden. „Hier komme ich in ein gestandenes System rein, wo die Sportlerinnen schon extrem gut sind. Als ich bei den Briten angefangen habe, hat man das gemeinsam aufgebaut.“

Gemeinsam katapultierten sich auch Hinze und Friedrich in die Weltspitze. Beide schafften bei der WM 2020 in Berlin unmittelbar vor Ausbruch der Coronapandemie den großen Durchbruch. Seitdem fahren sie von Erfolg zu Erfolg – mit einer Ausnahme: Bei Olympia 2021 in Tokio gab es für Hinze und Friedrich „nur“ Silber im Teamsprint. Das soll 2024 in Paris anders laufen. „Olympia ist die ganze Zeit im Hinterkopf“, sagt Hinze. Entsprechend schauen sich die beiden die Olympiabahn ganz genau an.

Bevor das Dauerduell Hinze versus Friedrich in die nächste Runde geht, wollen die beiden ihre WM-Bilanz gemeinsam aufpolieren. Im Teamsprint sind sie zusammen mit Pauline Grabosch die Favoritinnen auf WM-Gold. Danach geht es Schlag auf Schlag: Sprint, 500-Meter-Zeitfahren und Keirin. Am Ende wird abgerechnet. Aber die Freundschaft soll darunter nicht leiden. (taz, dpa)