Simbabwe sagt der Kinderehe den Kampf an

Jede dritte Frau in Simbabwe wurde schon als Kind zur Ehefrau gemacht. Seit diesem Monat ist diese vor allem von Sekten geförderte Praxis verboten

Der Trend zur Kinderehe nahm in den Pandemiejahren ab 2020 zu

Aus Harare Marcus Mushonga

Als Anna Machaya während der Geburt ihres Kindes starb, war sie erst 14 Jahre alt. Das Mädchen aus der Provinz Manicaland in Simbabwe war im Alter von 13 Jahren von ihren Eltern aus der Schule genommen und zwangsverheiratet worden. Anschließend wurde sie vom Ehemann geschwängert. Sie starb in einer Einrichtung der ­Apostolischen Kirche und wurde 2 Stunden später heimlich beigesetzt. Ihr Ehemann ist flüchtig – bis heute.

Der Fall von Anna Machaya wühlte Simbabwe im vergangenen Jahr auf, aber er ist kein Einzelfall. Tausende minderjähriger Mädchen, manche ganz am Anfang der Pubertät, werden in Simbabwe jedes Jahr in die Ehe gezwungen. Ihre Familien begründen dies mit religiösen und traditionellen Sitten. Laut UN-Kinderhilfswerk Unicef wurde jede dritte Frau in Simbabwe noch vor dem 18. Geburtstag verheiratet.

Nun soll damit Schluss sein. In diesem Monat trat ein neues Heiratsgesetz in Kraft, das ein Mindestheiratsalter von 18 Jahren festsetzt. Der neue „Marriage Act“, schon vor Monaten einstimmig vom Parlament verabschiedet und am 8. März von Präsident Emmerson Mnangagwa unterzeichnet, legt fest: „Keine Person unter 18 Jahren darf die Ehe, eine unregistrierte traditionelle Hochzeit oder eine eingetragene Partnerschaft eingehen.“

Im Mai setzte auch das Verfassungsgericht Simbabwes das Schutzalter für sexuelle Handlungen von 16 auf 18 Jahren hinauf. Alle traditionellen und religiösen Bräuche, unter denen Kinder verheiratet werden können, sind damit rechtswidrig. Bei Zuwiderhandlung drohen bis zu fünf Jahre Haft; das betroffene Kind kann dabei nicht bestraft werden.

Das freut Menschenrechtsgruppen in Simbabwe, die ansonsten häufig Kritik an der Regierung von Präsident Mnan­gagwa üben. „Es gibt in religiösen und kulturellen Sekten eine andauernde und ungebremste Praxis von Vergewaltigung, Kindesmissbrauch und Verheiratung junger Mädchen, was diese der Kinderschwangerschaft und Schlimmerem aussetzt“, erklärte die Menschenrechtsorganisation ZLHR (Zimbabwe Lawyers for Human Rights). Simbabwes Gesetzgebung stünde nun erstmals im Einklang mit der Verfassung und mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes.

Der Trend zur Kinderehe nahm in den Coronapandemiejahren ab 2020 zu, als Schulen über Monate hinweg geschlossen waren, viele ärmere Familien ihre Jobs verloren und nach alternativen Einkommensquellen suchten, etwa durch Vergabe ihrer Töchter an reichere Familien. In den Monaten Januar und Februar 2021 allein wurden in Simbabwe nach amtlichen Angaben 4.959 Kinderschwangerschaften gezählt.

Ob das neue Gesetz auch angewandt wird, muss sich allerdings erst noch zeigen. Immer wieder gibt es bereits vor Gerichten in Simbabwe Klagen gegen verfassungswidrige Kinderehen. Muchaneta Mundeyiri vom „Community Peace Club“ hält es für wichtig, auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene vorzugehen: „Wir müssen in der Gesellschaft unseren eigenen Beitrag dazu leisten, die Bemühungen der Regierung zur Schaffung eines sicheren Umfelds für Mädchen und Frauen zu unterstützen“, sagte sie.

Eine erste Initiative des Bildungsministeriums gemeinsam mit ZLHR: Ein Aufsatzwettbewerb in Simbabwes Oberschulen. Für den besten Beitrag landesweit über „Kinderehen, Ursache und Wirkung: Das Ende von Kinderehen bis zum Jahr 2030“ werden 150 US-Dollar ausgelobt, auf Provinzebene gibt es kleinere Preisgelder. Die Aufsätze müssen bis zum 28. September eingereicht werden, der Siegerbeitrag wird am 17. Oktober auf einer Feier ausgerufen.