Stadt der langen Worte

In Krefeld wird gemäch­lich gesprochen undgeradelt – ein Porträt

Krefeld in Nordrhein-Westfalen war bis in die 70er Jahre eine große Nummer in der Textilindustrie, bekannt als „Stadt wie Samt und Seide“. Hier wurde auch das Pampers-Vlies erfunden, und es gab die launige Auszeichnung zum „Krawattenmann des Jahres“. Der innerstädtische Ostwall war mal Prachtstraße, heute ist die City überdurchschnittlich heruntergekommen.

Fortschritt gibt es allerdings auch: Jahrelang war die linksrheinische Viertelmillionenstadt größte deutsche Kommune ohne Fernzughalt, jetzt stoppen sechs ICE – pro Woche. Schlagzeilen machte die Stadt zuletzt in der Neujahrsnacht 2020, als das Affenhaus im Zoo niederbrannte und mehr als 50 Tiere starben.

Ein „Krefelder“ in der Kneipe ist ein Altbier mit Cola. „Darauf einen Dujardin!“ Der Weinbrand kommt aus Krefeld-Uerdingen. Architektonisch hat die Stadt auch etwas geboten: Die zeitlos schönen Bauhaus-Villen Haus Lange und Haus Esters, heute Museen, stammen von Ludwig Mies van der Rohe. Berühmte Kinder der Stadt sind zum Bespiel Schlagersängerin Andrea Berg, TV-Moderatorin Margarete Schreinemakers, Ex-SPD-Chef Norbert Walter-Borjans, Großkünstler Joseph Beuys, Kraftwerk-Frontmann Ralf Hütter oder die taz-Prominenten Christoph Biermann und Elke Schmitter.

Sprachlich ist die Stadt überaus merkwürdig: Man redet – ein Pendant zum auffallend gemächlichen Radfahren vieler Einheimischer in der komplett flachen Stadt – einschläfernd langsam in stetigem Auf und Ab. Auf Krieewelsch werden selbst einsilbige Wörter klanglich zu einer großen Terz abwärts ausgesprochen, also etwa statt Zoo etwa Zo-hoo oder Sa-hamt anstelle von Samt. Kurios: Viele Wörter werden hinten betont, etwa der Vorort Forstwald, der prachtvolle Stadtwald, das Nachbarstädtchen St. Hubert. Lange her, dass der berühmte „Krefelder Appell“ versuchte, den Nato-Doppelbeschluss auszubremsen, um so die atomare Aufrüstung in Europa zu stoppen. 1980 war das.

Krefeld galt immer als Eishockeystadt mit bis in die 70er Jahre sogar zwei großen Erstligaclubs: die ehemaligen Preußen und der KEV. Noch 2003 waren die KEV Pingui­ne Deutscher Meister – und sind in diesem Frühjahr aus der ersten Liga abgestiegen.

Bernd Müllender