Auf der iPod-Welle

Die Renaissance des Radios kommt aus dem Internet. Podcasts werden professioneller. Der erste Preis winkt

Seit den US-Wahlen im vergangenen Herbst darf sich der Journalist Wolfgang Harrer zu den wenigen deutschen Podcasting-Pionieren zählen. Für die Deutsche Welle und ZDF-Online berichtete er damals regelmäßig im Internet aus den USA: Mit einem klassischen Webblog und eben mit Podcasts – einer neuen Variante des Internetradios. Der Begriff leitet sich ab vom englichen Wort broadcasting (senden) und dem Namen des weit verbreiteten MP3-Players iPod. Beim Podcasting prüft eine spezielle Software auf dem Computer, ob neue Podcast-Dateien im Internet vorliegen, lädt sie herunter und sortiert sie in eine Playlist ein, die dann auf den MP3-Player übertragen wird.

„Podcasting ist als Element des klassischen Radios durchaus zukunftsfähig“, sagt Harrer. „Niemand ist mehr bereit, seinen Tagesablauf nach einem Programmschema auszurichten.“ Stattdessen laden sich die Hörer die Sendungen auf den iPod und hören sie wann und wo sie wollen. Der Erflog gibt Harrer Recht. Sein US-Wahl-Podcast hatte unerwartet hohe Zugriffsraten. Der Nachfolge-Podcast, der ZDF Tsunami-Blog ( http://tsunami-blog.zdf.de ) ist mittlerweile für den Grimme Online Award nominiert, der am 30. Juni verliehen wird.

Der Podcast von Harrer ist allerdings die Ausnahme. Kommerzielle Anbieter und Radioprofis halten sich bislang noch weitgehend zurück. Die meisten Sendungen werden von Laien produziert und ins Netz gestellt. Jeder kann Audio-Daten hochladen, jeder kann sie nutzen. Deshalb lässt sich im Internet auch alles hören: von alternativen Musiksendungen bis zum Bibelkurs. „Der Trend geht auf jeden Fall zum Selbermachen“, sagt Harrer.

Erst im Oktober letzten Jahres starteten in Deutschland die ersten Podcasting-Experimente. „Seitdem ist das Wachstum explosionsartig“, sagt Fabio Bacigalupo. Der Informatiker betreibt mit www.podcast.de eines der ersten deutschen Podcast-Portale im Internet. Mittlerweile listet er 120 deutschsprachige Podcasts auf seiner Seite. Weltweit schätzt Bacigalupo deren Zahl auf mehr als 3.000. Für ihn ist Podcasting mehr als eine Möglichkeit, selbst gemachte Radiobeiträge im Internet auszutauschen: „Klassische Rundfunksender könnten mit werbefreien aber kostenpflichtigen Podcasts viel Geld verdienen.“

In eine ähnlich zuversichtliche Podcasting-Zukunft blickt auch Wolfgang Harrer: „Radio versendet sich schnell. Ein Podcast-Archiv im Internet lohnt sich da nicht nur für den Hörer, der eine Sendung gerne noch einmal hören will, sondern auch für die Sendeanstalten.“ Ganze Hörfunk-Dossiers könnten auf diese Weise entstehen und verkauft werden. „Die Renaissance der Radios“, nennt Harrer das.

PHILIPP DUDEK