Schüler:innen wollen lieber Stoßlüften

Der Landesschülerrat in Niedersachsen wehrt sich gegen aufkommende Luftfilterdebatten an Schulen. In Klassenräumen seien die Belüftungen zu laut

Von Lisa Werner

Der Herbst ist noch nicht ganz da, da geht sie los: die Debatte um Luftfilter in Klassenzimmern. In Niedersachsen sprechen sich CDU und FDP dafür aus – und ernten sogleich eine vorsorgliche Pressemitteilung der niedersächsischen Schüler:innenschaft. „Wir brauchen die Luftfilter nicht“, heißt es in dem Schreiben vom Landesschüler:innenrat. Stoßlüften sei geeigneter, um auf steigende Coronazahlen zu reagieren.

Der 18-jährige Yanik Möller spricht von einer „sinnlosen Debatte um unsinnige Maßnahmen“. Denn die Luftfilter seien sperrig, die Geräte so groß wie Schränke und laut, sagt Möller, der Mitglied im Vorstand des Landesschülerrates ist. Schü­le­r:in­nen und Leh­re­r:in­nen hätten ihnen davon berichtet, dass wegen des Lärms gar kein Unterricht möglich sei. Eigene Erfahrungen hat Möller nicht: In einem Klassenraum mit Luftfilter hat er bisher nicht gesessen. Der Landesschülerrat ist dennoch dafür, die Schulräume statt mit mobilen oder festen Belüftungssystemen nur mit CO2-Ampeln auszustatten. „Dadurch ist das gezielte Stoßlüften einfacher“, sagt Möller. Das Prinzip ist simpel: Wenn der CO2-Gehalt in der Luft zu hoch ist, schlägt die Ampel aus und es sollte gelüftet werden.

„Wir fordern Luftfilter in allen Schulen und Klassen“, sagt hingegen Helge Gülzau, Pressesprecher der FDP in Niedersachsen. Das alleinige Lüften der Klassenräume sei „mehr schlecht als gut“. Im bisherigen Verlauf der Pandemie habe der Schutz der Schü­le­r:in­nen nicht gut funktioniert. Darauf müsse nun der Fokus liegen. Für die Kosten solle das Land aufkommen: „Wir sehen das als eine Investition in unsere Schulen“, sagt Gülzau.

Auch die CDU geht über die Kritik der Schü­le­r:in­nen eher hinweg: „Da Luftfilter in Niedersachsen nur vereinzelt zum Einsatz kommen, dürfte es keine Vielzahl Betroffener geben“, sagt Christian Fühner, kultuspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Luftfilter seien zwar kein „Allheilmittel“, aber „die Anschaffung wert“. Besonders wenn so Schulschließungen ausblieben.

Der Landesschülerrat hält dagegen: Das Geld wäre „in diesem digitalen Zeitalter an anderen schulischen Stellen besser aufgehoben“, sagt Möller. Der WLAN-Ausbau, die Versorgung mit digitalen Tafeln und Endgeräten seien wichtiger.

Das niedersächsische Kultusministerium ist auf der Linie der Schüler:innen. Pressesprecher Ulrich Schubert verweist auf die Empfehlungen des Umweltbundesamtes. Das spricht sich für fest installierte Lüftungsanlagen, sogenannte Raumlufttechnische Anlagen (RLT), aus. Diese verlören auch nach der Pandemie nicht ihren Nutzen. Bisher ist das allerdings nicht mehr als eine Empfehlung. Laut Schubert liegt es bei den Schulträgern selbst, solche Einbauten vorzunehmen. Das Land stellt einen Topf von zwölf Millionen Euro zur Förderung bereit. Seit Juni wurden jedoch lediglich Anträge in Höhe von rund 1,3 Millionen Euro eingereicht, bis zum 31. Oktober ist dies noch möglich.

Auch eine Studie der Universität Stuttgart rät von einer flächendeckenden Nutzung mobiler Luftfilter ab. Trotz ihrer bewiesenen Wirkung verursachten sie störende Zugluft und Geräusche und hätten daher ein Akzeptanzproblem. Sinnvoll sei das nur in Räumen mit wenigen oder kleinen Fenstern.

Auch die Grünen und die Linke schließen die Anschaffung der mobilen Technik nicht aus. Für die Eindämmung von Corona-Infektionen könnten Luftfilter, Lüftungsanlagen oder CO2-Ampeln behilflich sein, sagt die Grünen-Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg. Denn: Ob Luftfilter gebraucht würden, „ist nicht nur eine Frage der Lautstärke, sondern auch des Infektionsschutzes“, sagt Hamburg.

Die Debatte ist also in vollem Gange – und das erste Ziel des Landesschülerrates – diese zu verhindern – kolossal gescheitert.