Eizellen und Spermien aus der Retorte

Britischen Fortpflanzungsbiologen gelang es erstmals, menschliche Stammzellen in Vorläuferzellen für Spermien und Eizellen umzuwandeln

Angetreten waren die Stammzellforscher einst vor allem mit der Aussicht, die umstrittenen Forschungsobjekte „Embryonen“ zu nutzen, um Heilungsmöglichkeiten und Therapien für bisher unheilbare Krankheiten zu entwickeln. Auf einer Tagung der „European of Society of Human Reproduction and Embryology“ (ESHRE) diese Woche in Kopenhagen stellten Stammzellforscher jetzt einen weiteren Bereich vor, in dem die Forschung mit den aus Embryonen gewonnenen Stammzellen einmal eingesetzt werden kann: Zur Behandlung von unfruchtbaren Frauen oder Männern, die auf eine Eizell- oder Samenspende angwiesen sind, um ein Kind zu bekommen.

In etwa zehn Jahren soll es möglich sein, Spermien und Eizellen künstlich im Labor zu erzeugen, verkündeten britische Forscher. Sein Team habe aus embryonalen Stammzellen jene Urkeimzellen herstellen können, die sich beim Menschen je nach Geschlecht zu Eizellen und Spermien entwickeln, berichtete der Leiter des Stammzellzentrums im britischen Sheffield, Harry Moore. Einige dieser Vorläuferkeimzellen hätten dann einen Teil der Weiterentwicklung zu Spermien durchlaufen.

Moore sagte voraus, dass vermutlich bald schon die Herstellung voll ausgebildeter Spermien machbar sei. Dazu müssten sie jedoch aus dem Zellverband herausgelöst werden und in eine Umgebung gebracht werden, wie sie in einem Eierstock oder in einem Hoden vorhanden ist.

Sollte diese Technik tatsächlich einmal funktionieren, könnten die Vorläuferzellen auch direkt auf Menschen übertragen werden, die aufgrund fehlerhafter Ei- oder Spermienzellen unfruchtbar sind. Moore räumte auf der Kopenhagener Konferenz aber auch ein, dass es noch viel zu früh sei, um konkrete Aussagen über die Erfolgsaussichten zu machen. Bei Mäusen ist dieses Verfahren schon erfolgreich eingesetzt worden. Vor zwei Jahren schon gelang es Forschern an der University of Pennsylvania, USA, aus embryonalen Mausstammzellen Eizellen herzustellen. Von ähnlichen Versuchen mit Mäusen berichtete in Kopenhagen auch ein australisches Forscherteam. Es hatte aus Stammzellen einen dem Eierstock ähnlichen Zellverband gebildet, der ihrer Meinung nach auch Eizellen enthält.

Auch wenn es noch viele Jahre dauern dürfte, bis diese Technik, wenn überhaupt, als sicher eingeschätzt wird, von britischen Selbstilfegruppen und Infertilitätsverbänden wurden die Ergebnisse begrüßt.

Großbritannien gehört zwar zu den wenigen europäischen Ländern, wo es in der Stammzellfoschung und beim Forschungsklonen fast keine Grenzen gibt, doch seit einiger Zeit kann dort die Nachfrage nach Ei- und Samenzellen nicht mehr befriedigt werden. Der Grund: In Großbritannien wurde die anonyme Ei- und Spermienspende abgeschafft. Unter dem SpenderInnenrückgang haben nicht nur die IVF-Kliniken und Eltern mit einem unerfüllten Kinderwunsch zu leiden. Auch bei den Stammzell- und Klonforschern, die auch auf Eizellen angwiesen sind, bleibt der Nachschub aus.

WOLFGANG LÖHR