die taz vor 15 jahren: nachhilfe in demokratie
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Auf der Titelseite der New York Times war neulich folgende Überschrift zu lesen: „Weißes Haus erteilt Kreml Nachhilfe in Sachen Präsidentschaft“. Es ist wirklich sehr nett von Mr. Bush, dachte ich im stillen, sich den ehemaligen Ostblockländern freiwillig als Vorbild und Modell anzubieten. Zu Beginn dieses Jahres wurde im Parlament des Staates Washington ein „Petting“-Verbot für Minderjährige unter 18 eingebracht. Man braucht nur das Petting zu verbieten, und sofort werden die heimlichen Aktivitäten auf dem Autorücksitz rapide zunehmen. Was die Kids davon abbringt, zu fixen oder zu schnupfen – ganz zu schweigen davon, daß sie auf diese Weise noch weniger Zeit haben werden, es wirklich zu tun. Wenn es gelingt, mit diesem Verbot das Petting genügend ins Gerede zu bringen, dann nimmt vielleicht die Lust auf andere Formen sexueller Betätigung ab. Möglicherweise wird mit Hilfe des Petting-Verbots dann erreicht, was die Androhung von Schwefel und Höllenfeuer nicht geschafft hat: Jugendliche vom Geschlechtsverkehr abzuhalten.

Osteuropäische Studenten des amerikanischen Rechtssystems mögen sich vielleicht auch gefragt haben, auf welche Weise ein Verbot des oralen Geschlechtsverkehrs zwischen mündigen Erwachsenen (sogar zwischen Ehepartnern) die Qualität des demokratischen Lebens verbessern hilft. Sowohl in Georgia als auch North Carolina wurden in jüngster Zeit mehrere Männer wegen dieses Verbrechens zu Gefängnisstrafen verurteilt. Jedem, der auch nur einen Schimmer davon hat, wie Demokratie funktioniert, ist sofort klar, daß Oralverkehr durch ein solches Verbot erst recht sexy wird. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß Eheleute sich verstärkt dieser Praxis widmen und ihnen die Ehe wieder mehr Spaß macht. Was wiederum die Monogamie fördert und ein stabiles Familienleben. Auch das ist etwas, was die Amerikaner sich wirklich wünschen, zumindest für alle anderen. Marcia Palley, 22. 6. 1990