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: „Lernen, was ein Einzelner bewirken kann“

Vor zehn Jahren benannte die Stadt Braunschweig einen Platz nach dem Juristen Fritz Bauer. Die Historikerin Irmtrud Wojak über das Erbe des Nazi-Jägers und -Anklägers

Foto: Buxus Stiftung

Irmtrud Wojakgeboren 1963, ist Geschäftsführerin des Fritz Bauer Forums in Bochum. Die Historikerin habilitierte sich mit einer Fritz-Bauer-Biografie an der Universität Hannover.

Interview Josephine von der Haar

taz: Frau Wojak, was fasziniert Sie an Fritz Bauer?

Irmtrud Wojak: Dass er so viel Durchhaltevermögen bei der Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht aufgebracht hat. Er hat dabei viel Mut und Widerständigkeit an den Tag gelegt.

Welche Bedeutung hat seine Arbeit als Generalstaatsanwalt in Braunschweig – und später in Frankfurt am Main – für die heutige Bundesrepublik?

Ich glaube, dass man ihn als Vorbild betrachten kann. Er hat sich ja selber als einen politischen Juristen gesehen und hat sich sehr für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus engagiert. Durch die Gerichtsprozesse konnte er für die Geschichten der Überlebenden Öffentlichkeit schaffen. Es wurde thematisiert, was in den Konzentrations- und Vernichtungslagern geschehen ist und die Gesellschaft konnte sich nicht länger wegducken. Aber auch schon vor 1945 hat Fritz Bauer dazu aufgerufen, den Kampf gegen die Straflosigkeit von Menschenrechtsverbrechen anzugehen.

Fritz Bauer war politischer Gegner des Nazi-Regimes und ist 1936 emigriert. Warum ist es Ihnen wichtig, auch an die Geschichte des Widerstands zu erinnern?

Er gehörte zu denen, die bereits in den 1920er-Jahren im Widerstand gegen den Nationalsozialismus waren. Das hat er nach 1945 fortgesetzt. Man erinnert heute sehr viel an die Verbrechen der Nationalsozialisten, was auch notwendig ist, aber setzt sich weniger damit auseinander, dass es trotz der extremen Umstände Widerstand gegeben hat. Das sieht man auch an den Gedenkstätten: Kaum welche beleuchten Orte des Widerstands oder thematisieren den Widerstand in den Konzentrationslagern.

Bauer bekommt in den vergangenen Jahren mehr Aufmerksamkeit – die Platz­umbenennung 2012 in Braunschweig ist ein Beispiel dafür. Woran liegt das?

Es ist eine Entwicklung. Es gab die Gründung des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt, es gab die Ausstellung über den Auschwitz-Prozess und zusätzliche Forschung. Gerade die Spielfilme haben ihn populär gemacht, wenn sie auch nicht ganz den historischen Tatsachen entsprechen. Jetzt entsteht hier im Ruhrgebiet ein Fritz Bauer Forum, welches sich sehr stark an Fritz Bauers Leben und Werk orientiert und ein Zentrum für Menschenrechte sein wird. Doch zu seinen Lebzeiten ist ihm nicht eine einzige offizielle Ehrung zuteil geworden.

Was können wir heute von ihm lernen?

Wir können von ihm lernen, was ein einzelner Mensch tatsächlich bewirken kann. Er hat sich nicht von seinem Weg abbringen lassen – teilweise unter extremen Bedingungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist er nach Deutschland zurückgekehrt, was nicht selbstverständlich war. Er hat das auf sich genommen, um sich für eine demokratische Rechtsordnung einzusetzen. Dazu gehört viel Mut, aber es zeigt auch, dass man etwas verändern kann.

Reihe „10 Jahre Fritz-Brauer-Platz“: Vortrag „Wer war Fritz Bauer?“ von Irmtrud Wojak: Fr, 9. 9., 17 Uhr, Braunschweig, Gewerkschaftshaus; Stadtspaziergang auf den Spuren Bauers: So, 11. 9., 11 Uhr; Film „Fritz Bauers Erbe“: Mo, 12. 9., 19 Uhr, Universum Filmtheater; Vortrag „Helden“ oder „Verräter“?“ von Claudia Fröhlich: Do, 15. 9., 17 Uhr, Gewerkschaftshaus