Schily zeigt sich von seiner weichen Seite

Der Innenminister nutzt seine letzte Chance, der Integrationsbeauftragten Beck die Schau zu stehlen

Schily will Bleiberecht fürMinderjährige, die seit langem in Deutschland leben

BERLIN taz ■ Sie pflegen ihre Ränke bis zum letzten Tag: Vor den geplanten Neuwahlen bemühte sich Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gestern noch einmal nach Kräften, seiner langjährigen politischen Weggefährtin Marieluise Beck ordentlich das Programm zu zerschießen. Just als die Migrationsbeauftragte ihren Bericht zur Lage der Ausländer in Deutschland präsentierte, hob Schily ein paar Kilometer weiter im Innenministerium an, vor geladenen Journalisten seine eigene Bilanz der Zuwanderungspolitik zu ziehen. Die unmissverständliche Botschaft der Parallelveranstaltung: Ihr müsst euch schon entscheiden, wer euch wichtiger ist – die oder ich.

Schily und Beck hatten sich bereits vor über 20 Jahren meist bekriegt, als sie die erste gemeinsame Bundestagsfraktion der Grünen anführten. Auch in den sieben Jahren Rot-Grün waren sie selten einer Meinung. Umso kurioser Schilys gestriger Überraschungscoup.

Der Minister, der Beck und den kleinen Koalitionspartner mit seiner harten Linie vieler Träume beraubt hatte, zeigte sich ungewohnt milde. Er bedauere „zutiefst“, dass einige Unionspolitiker zu Wahlkampfzwecken eine „demagogische Debatte der Abschottung“ ankurbeln wollten. Dies sei „gefährlich und schlimm“.

Schily präsentierte stattdessen kurz vor seiner Abreise zur Innenministerkonferenz einen Vorstoß zugunsten ausländischer Kinder und Jugendlicher: In Absprache mit beiden großen Kirchen will er sich bei den Länderkollegen für ein Bleiberecht für Minderjährige einsetzen, die seit mindestens sechs Jahren in Deutschland leben und hier heimisch geworden sind. Kinder sollten künftig nicht mehr dafür „büßen“, dass ihre Eltern ausreisepflichtig seien, so Schily. Im Gegenteil: Sein Vorschlag sieht vor, zum Wohl des Nachwuchses die ganze Familie von der Ausweisung zu verschonen. Sollten die Länder der Initiative zustimmen, könnten davon nach vorsichtigen Schätzungen des Ministeriums 20.000 bis 30.000 Flüchtlinge profitieren.

Schily zeigte sich außerdem optimistisch, dass die Innenministerkonferenz auch in der Frage der jüdischen Zuwanderung eine „positive“ Entscheidung treffen werde. Was dies nun wieder bedeuten werde, ließ er offen. AGX/LKW