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Schrotträder
auf dem Vormarsch

Legales Schlösserknacken: Wie Städte versuchen, der Schrottrad-Plage Herr zu werden

Vielleicht noch mal zu gebrauchen: Schrotträder in Hamburg Foto: Axel Heimken/ dpa

Von Joachim Göres

Ein demoliertes Fahrrad ohne Vorderrad steht angeschlossen an einem Zaun in der Innenstadt. Auf dem Sattel klebt ein roter Aufkleber mit folgendem Text: „Dieses Fahrrad wird nach Ablauf des unten genannten Datums zu Abfall im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Die Voraussetzungen für seine behördliche Entsorgung gemäß §15 Abs.4 KrW-/AbfG sind damit erfüllt. Die Kosten dieser Entfernung werden dem letzten Halter oder Besitzer auferlegt.“

Auf diese oder ähnliche Weise kündigen Stadtreinigungen und Ordnungsämter an, dass sie demnächst das Fahrradschloss aufbrechen und das Fahrrad abtransportieren werden. Dazu sehen sie sich bei Schrott­rädern verpflichtet, denn das ­Stehenlassen im öffentlichen Raum ist eine unerlaubte Sondernutzung. Das ergibt sich aus den Landesabfallgesetzen der einzelnen Bundesländer. In der Praxis gibt es zwischen den Ländern oder auch einzelnen Städten Unterschiede: In Bremen beträgt die Frist zum Entfernen von Zweiradwracks vier Wochen, in Hamburg nur zwei Wochen.

Doch was ist genau ein Zweiradwrack? Darunter werden fahruntüchtige Fahrräder verstanden, die nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz als Abfall anzusehen sind. Eine genaue Definition, ab wann das der Fall ist, gibt es nicht. „Ein Platten ist kein Grund, ein Rad sofort zu entfernen“, sagt Roland Huhn, Rechtsreferent beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Auch das Fehlen des Vorderrades reiche dafür nicht aus, denn der Besitzer könnte es selbst ausgebaut haben, um es zu Hause zu reparieren.

Dennoch gibt es nach Huhns Auffassung deutliche Anzeichen, ab wann ein Fahrrad als Schrottrad betrachtet werden kann: wenn die Reifen vom Sonnenschein mürbe sind, auf dem Sattel bereits Moos wächst oder die Kette so verrostet ist, dass sie sich nicht mehr dreht. Huhn: „Manchmal ist das Sicherheitsschloss das Wertvollste am Rad.“ In extremen Fällen könne das Fahrrad sofort abtransportiert werden, wenn es zum Beispiel verkehrsgefährdend abgestellt wurde.

In Bremen werden Schrotträder von der Stadtreinigung drei Monate eingelagert und in dieser Zeit die Rahmennummern mit der Polizei abgeglichen, um Diebstähle aufzuklären. Danach werden sie einer gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft übergeben, die nach dem Motto arbeitet: Aus drei kaputten mach’ein funktionierendes Gefährt. In Hannover dagegen verschrottet der Zweckverband Abfallwirtschaft nach einer gewissen Frist alle Fahrradleichen. Andernorts wandern Räder ins städtische Fundbüro und werden dort versteigert.

„So ein Verhalten ist unfreundlich gegenüber der Gesellschaft“

Roland Huhn, ADFC

Die Stadtreinigung Hamburg registrierte 2004 mehr als 1.800 Schrotträder, in den letzten Jahren sind es zwischen 5.000 und 6.000 pro Jahr, Tendenz steigend. Allerdings kann das auch damit zu tun haben, dass vielerorts mehr Abfallfahnder unterwegs sind, damit der seit Jahren zunehmende Fahrradverkehr nicht durch immer mehr Schrotträder beeinträchtigt wird. Das Problem ist so groß, dass die Deutsche Bahn sich in dem Projekt „Fahrradparken am Bahnhof“ engagiert. Um mehr Menschen vom Umstieg vom Auto auf die Bahn zu überzeugen, fehlen nach einer aktuellen Studie bis 2030 bis zu 1,5 Millionen zusätzliche Fahrradabstellplätze an den Bahnhöfen. Da wäre es aus DB-Sicht hilfreich, wenn nicht mehr so viele Schrotträder die Abstellanlagen in Bahnnähe verstopften.

Das von der DB geförderte Projekt „Allrad“ der Hochschule Mainz untersucht derzeit, wie die Bedingungen für Bahn-Pendler sind, die mit dem Rad zum Bahnhof fahren und dort einen Parkplatz suchen. Bei einer Befragung in Münster sagten 44 Prozent, dass die vielen Schrotträder in der deutschen Fahrrad-Hochburg den Radverkehr und das Parken behinderten. Bei einem Allrad-Workshop haben sechs deutsche Städte ihre Konzepte zum Thema „Schrotträder“ vorgestellt und diskutiert. Als Ergebnis soll bis Ende des Jahres eine Handlungsempfehlung für Kommunen zu diesem Thema erscheinen.

ADFC-Experte Huhn rät: „Die Städte sollten sich mehr trauen, dazu möchten wir sie ausdrücklich ermutigen.“ Denjenigen, die sich nicht selten ein teures Rad kaufen und ihr altes Exemplar einfach im öffentlichen Raum stehen lassen, ruft er zu: „So ein Verhalten ist unfreundlich gegenüber der Gesellschaft. Die Entsorgung kostet doch nichts, städtische Wertstoffhöfe oder Schrotthändler nehmen gebrauchte Drahtesel an.“