: „Nicht die Sonne verteufeln“
Bremer Dermatologe warnt vor zu exzessivem Genuss der Sonnenstrahlen. Hautkrebsfälle hätten in den vergangenen Jahren zugenommen. Dennoch sei Licht auch ein Stimmungsaufheller. Dazu räumt der Chefarzt mit Marketingtricks der Industrie auf
taz: Herr Bahmer, hat der verspätet eingesetzte Sommer folgen für Menschen, die ihre Haut jetzt der prallen Sonne aussetzen?
Friedrich A. Bahmer, Chefarzt: Natürlich ist die Haut jetzt bei den meisten Menschen nicht vorgebräunt. Und die Sonne hat Ende Juni natürlich viel mehr Kraft als im April. Deswegen sollte man noch genauer aufpassen, wenn man sich der Sonne aussetzt.
Was kann man genau tun, um sich zu schützen?
Man sollte nicht versuchen, möglichst schnell braun zu werden. Auch wer im Solarium vorgebräunt hat, ist sonnenempfindlich. Unter der langwelligen UV-Strahlung des Solariums bilden sich mehr Pigmente, die schützende Oberhaut und Hornschicht werden aber nicht dicker. Bräune kann trügerisch sein.
Was sollte der Sonnenbadende denn unbedingt vermeiden?
Natürlich sollte man sich der direkten Sonneneinstrahlung – vor allem in der Mittagszeit – nicht unbedingt aussetzen. Dazu sollte ein Sonnenschutzmittel verwendet werden. Hier gilt die Regel: besser ein billiges und dies häufiger, als mit dem teuren zu geizen. Ein Lichtschutzfaktor über 20 ist auf jeden Fall ausreichend, auch wenn man auf keinen Fall die fünf Stunden in der Sonne bleiben sollte, wie es auf einigen Flaschen steht. Das will uns die Werbung nur weismachen.
Wie kann man Kinder besonders schützen?
Die Haut der Kinder ist empfindlicher, aber auch schneller regenerationsfähig als die der Erwachsenen. Doch die Haut vergisst die Schäden nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Kind später an Hautkrebs erkrankt, wenn es früher zu lange in der Sonne gespielt hat. Es grenzt an Körperverletzung, wenn Eltern ihre Kinder unbedeckt und ohne ausreichendes Sonnenschutzmittel in die Sonne lassen. Ich rate zu Mitteln, die frei von chemischen Substanzen sind. Die mindern das Risiko von Allergien bei Kindern.
Was kann man tun, wenn man auffällige Stellen am Körper entdeckt?
Ich rate zu regelmäßigen Hautchecks, die allerdings die Krankenkassen nicht bezahlen. Der Check kostet um die 30 Euro und sollte alle ein bis drei Jahre durch einen Dermatologen vorgenommen werden. Wer auffällige, schwarze Stellen auf seiner Haut entdeckt, sollte jedoch in jedem Fall einen Kollegen aufsuchen.
Haben die Hautkrebsfälle in den vergangenen Jahren zugenommen?
Auf jeden Fall. Vor 30 Jahren war ein Melanom ein seltener Tumor. Der ist mir im Klinikalltag vielleicht einmal im Monat untergekommen. Jetzt sehe ich ungefähr zehn dieser Tumore in vier Wochen. Die Sonne ist und bleibt dabei der wichtigste Auslöser für den schwarzen Hautkrebs, das wissen wir aus der wissenschaftlichen Forschung. Doch es gibt weitere Co-Faktoren, die wir nicht kennen. Da ist vieles denkbar, von Nahrungsmittel-Inhaltsstoffen bis zur UKW-Strahlung. Ich warne davor, die Sonne zu verteufeln, denn sie hat auch viele positive Auswirkungen.
Welche sind das?
Licht beeinflusst erwiesenermaßen die Psyche des Menschen und regt unter anderem die Vitamin D-Produktion im Körper an. Dabei ist natürliches Licht viel wirksamer als künstliches. In einem Versuch mit „Sonnensüchtigen“, die permanent ins Solarium gingen, konnte jedoch keine Mehrausschüttung an Glückshormonen festgestellt werden. Dennoch: Unsere biologische Uhr reagiert positiv auf die Sonne. Interview: ky
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