Nach dem Parteitag fühlen sich beide Flügel gestärkt

LINKE Neue Spitze beschwört die Einheit der Partei. SPD-Rechte umwerben Linke-Fraktionsvize Bartsch

BERLIN taz | Die neue Führung der Linkspartei bemüht sich nach dem Parteitag in Göttingen um Konsens. Man wolle, verkündeten Katja Kipping und Bernd Riexinger, bald alle Landesverbände besuchen, um sich vorzustellen. Vor allem der Schwabe Riexinger, der seinen Job als Ver.di-Geschäftsführer in Stuttgart an den Nagel hängen wird, ist im Osten kaum bekannt.

Riexinger hatte auf Bitte von Oskar Lafontaine gegen Dietmar Bartsch kandidiert. Er muss nun zeigen, dass er kein Strohmann ist, sondern eigenständig die zerrissene Partei verbinden will. Kipping betonte, dass man „eine Kultur der Offenheit“ wolle.

Die meisten Medien haben die Wahl des Gewerkschafters Riexinger als eindeutigen Sieg der West- über die Ostlinke gedeutet. Die Ost-Linken sehen das allerdings etwas anders: Wulf Gallert, Fraktionschef in Sachsen-Anhalt, glaubt, dass mit der neuen Führung durchaus „etwas zu machen ist“.

Einzelne SPD-Politiker versuchten am Montag Kapital aus der Zwist bei der Linkspartei zu schlagen. Johannes Kahrs, SPD-Rechter und Sprecher des Seeheimer Kreises, forderte den Reformer Dietmar Bartsch zum Übertritt auf. „Bartsch ist vernünftig und konstruktiv. Er wäre ein Gewinn für die SPD“, sagte Kahrs der Hamburger Morgenpost. Der Ost-Linke Bartsch konterte: „Ich verstehe, dass die SPD qualifiziertes Personal braucht. Aber ich bleibe Linker.“ Der ebenfalls dem rechten SPD-Flügel angehörige Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann hofft, dass der Parteitag die Linkspartei „geschwächt und nicht gestärkt“ habe. „Eine solche Partei braucht Deutschland nicht“, behauptete Oppermann.

Das sieht die Mehrheit der Deutschen allerdings anders. Laut Emnid gehen rund 60 Prozent davon aus, dass die Linkspartei sich wieder erholen wird. 32 Prozent glauben, dass die Partei ihre Zukunft hinter sich hat. In Umfragen liegt die Linkspartei derzeit trotz ihrer internen Dauerquerelen bundesweit bei 6 Prozent. Im Osten würden laut Emnid 17 Prozent die Linkspartei wählen, im Westen lediglich 3 Prozent. SR