Buchtipp

Innenansichten

Anfang Juni hielt die in Syrien seit 1963 herrschende Baath-Partei einen Kongress ab, der im Vorfeld als „historisch“ bezeichnet wurde. Doch der von vielen erhoffte Durchbruch zu grundlegenden Reformen blieb aus. Der Ausnahmezustand, seit dem Putsch in Kraft, wurde lediglich etwas modifiziert, die in der Verfassung festgeschriebene führenden Rolle der Partei nicht angekratzt. Zwar wurde ein neues Parteiengesetz versprochen, doch religiös oder ethnisch definierte Gruppierungen bleiben verboten. Das schließt die Muslimbrüder ebenso aus wie kurdische Organisationen. Eine Enttäuschung für die Opposition, aber auch für den Reformflügel in der Baath-Partei.

Immerhin: In Damaskus wird wieder diskutiert. Wer mehr über diesen spannenden Prozess erfahren möchte, wird in dem Buch von Carsten Wieland, „Syrien nach dem Irak-Krieg“ gut informiert. Seine Stärke liegt in der Beschreibung der innenpolitische Entwicklung Syriens seit der Machtübernahme von Baschar al-Assad im Jahr 2000, wiewohl auch die Vorgeschichte behandelt wird. Bei der ausführlichen Beschreibung der unterschiedlichen Strömungen der Opposition von Säkularisten bis zu Muslimbrüdern kann der Autor auf zahlreiche Interviews mit mit den Akteuren zurückgreifen. Auch die Lage der Menschenrechte wird beschrieben; der Autor lässt keinen Zweifel daran, dass Syrien nach wie vor eine Diktatur ist.

Bemängeln kann man, dass es kein eigenes Kapitel gibt, das sich der Situation der Frauen widmet. Zudem ist die Gliederung etwas unübersichtlich geraten, und einen Abschnitt wie „Chaos im Irak“, das nur eine drittel Seite umfasst, hätte man besser weggelassen. Ob allerdings die Politik der USA gegenüber dem Irak tatsächlich einem „neuen Pan-Arabismus“ Auftrieb gibt, wie Wieland andeutet, muss bezweifelt werden. Die Ablehnung der Politik Washingtons allein ist noch keine positive Neuformulierung einer alten Ideologie. Die arabischen Regimes haben andere Probleme, die spielen sich angesichts des Reformdrucks im Innern ihrer Staatsgrenzen ab. BEATE SEEL

Carsten Wieland: „Syrien nach dem Irak-Krieg“. Klaus Schwarz Verlag, Berlin 2004, 169 Seiten, 28,50 €