HEIKLE PROBLEME BEI DER ZUWANDERUNG AUS DER EXSOWJETUNION
: Jüdischer Vater, jüdische Mutter

Einen Eklat lösten die Innenminister der Länder im letzten Herbst aus, als sie überraschend restriktive Bedingungen für die Zuwanderung von Juden aus Russland und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion verhängen wollten. Nun ist es doch noch gelungen, eine halbwegs vernünftige Lösung zu finden. Diskrete Gespräche zwischen den Innenministerien des Bundes und der Länder sowie dem Zentralrat haben es ermöglicht, dass die Immigration von Jüdinnen und Juden nach Deutschland nun doch noch leichter möglich ist als ursprünglich im Zuwanderungsgesetz, das schon im Januar in Kraft trat, vorgesehen.

Die damals für die Zuwanderer erwogene Schnapsidee einer „Sozialprognose“, wonach nur einwandern dürfe, wer wohl nicht in die Sozialhilfe fallen werde, ist vom Tisch. Auch das Höchstalter wurde zu Recht fallen gelassen. Denn ob jemand integriert wird oder nicht, hängt nicht unbedingt davon ab, wie alt diese Person ist oder welche für den Arbeitsmarkt passende Qualifikation sie mitbringt.

Es bleibt allerdings bei einem Dilemma, das auch bei längeren Verhandlungen kaum hätte gelöst werden können. Während der Staat einwandern lässt, wer mindestens ein jüdisches Elternteil hatte, nehmen die Zentralratsgemeinden generell, den Religionsgesetzen folgend, nur auf, wer eine jüdische Mutter hatte. Hinzu kommt, dass in der Sowjetunion die Vaterlinie für die Abstammung bestimmend war: Eine „jüdische Nationalität“ erhielt nur, wer einen jüdischen Vater hatte. So stand es dann auch im Pass, der für die Einwanderung nach Deutschland entscheidend sein kann. In gewisser Weise öffnet also der Staat heute seine Arme weiter als die orthodox geprägten jüdischen Gemeinden es tun oder meinen es tun zu können.

So ist absehbar, dass die Zentrale Wohlfahrtsstelle, die das Kriterium „Aufnahmemöglichkeit“, also „jüdische Mutter“, bescheinigen soll, großzügig damit umgehen muss. In Deutschland wird kein nach religiösen Kriterien „sauberes“ Judentum entstehen. Bedauerlich ist das nicht.PHILIPP GESSLER