„Flüchtlinge sind Akteure“

Diskussion über Klimawandel und -flüchtlinge

■ 54, ist Professor für Geographie und leitet die Forschungsgruppe Klimawandel und Sicherheit am Klimacampus der UniFOTO: AUSSERHOFER

taz: Herr Scheffran, wie wirkt sich der Klimawandel aus?

Jürgen Scheffran: Die Folgen unterscheiden sich regional stark. Konkret geht es um die Zunahme von Dürren und Stürmen und den Anstieg des Meeresspielgels. Das kann zu Migration führen.

Und die Flüchtlinge kommen dann alle nach Westeuropa?

Das kann man so nicht sagen. Der Klimawandel ist zwar bereits im Gange, aber es gibt Anpassungsmöglichkeiten. Kommt der Wandel aber, dann ist es wichtig, die Flüchtlinge nicht als Bedrohung wahrzunehmen. Sie sind auch nicht nur Opfer, sondern handelnde Akteure, die Netzwerke bauen. Die Geflüchteten arbeiten und unterstützen oft ihre Familie im Herkunftsland mit dem verdienten Geld. Deren persönliches Überleben kann so besser gesichert werden.

Profitieren nur Herkunftsländer von der Migration?

Nein, die Industrienationen erhalten ja das Wissen und die Arbeitskraft der Migranten. Ohnehin werden die demographisch schrumpfenden westlichen Länder in Zukunft Zuwanderer brauchen. Wichtig ist eine konstruktive Migrationspolitik, die auf Zusammenarbeit setzt. Erfahrungen mit Co-Development gibt es etwa zwischen Frankreich und einigen afrikanischen Staaten. Politisch sollte nicht die Bekämpfung von Symptomen angestrebt werden, sondern die Abwendung des Klimawandels.

Aber ist es dafür nicht zu spät?

Mildern kann man ihn schon. Zukünftig müssen Emissionen gesenkt werden. Bleiben wir auf dem bestehenden Pfad, dann wird das Leben und Überleben in vielen Regionen in Zukunft sehr viel schwieriger.  INTERVIEW: SMW

Diskussion „Klimawandel und Flucht“ mit Jürgen Scheffran, Peter Wahl (World Economy, Ecology & Development), Dorothee Braun (Rat für nachhaltige Entwicklung) und Ska Keller (Die Grünen, MdEP): 18–22 Uhr, Stadtteilschule St. Pauli, Bernhard-Nocht-Straße 12