Nationale Genpflanzen-Verbote erlaubt

Verbraucherschutz geht vor Marktinteressen: Die EU-Staaten dürfen weiterhin selbst entscheiden, ob sie gentechnisch veränderten Mais oder Raps verbieten. Bei dem umstrittenen Monsanto-Mais hat jetzt jedoch die EU-Kommission das Sagen

AUS BRÜSSEL RUTH REICHSTEIN

Die nationalen Verbote von bestimmten Genmais-Sorten in der Europäischen Union werden bis auf weiteres aufrechterhalten. Das beschlossen gestern die EU-Umweltminister in Luxemburg – und lehnten damit einen Vorschlag der Europäischen Kommission ab. Diese hatte gefordert, alle nationalen Schutzklauseln aufzuheben. Begründung: Die Handelsbarrieren verstießen gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO.

Als eine „schallende Ohrfeige“ für die Kommission bezeichnete die Grünen-Abgeordnete im EU-Parlament, Hiltrud Breyer, gestern die Entscheidung. „Die Kommission muss endlich für Verbraucherschutz sorgen und darf nicht nur den Binnenmarkt im Auge behalten“, sagte sie.

In fünf EU-Ländern gibt es derzeit nationale Klauseln. In Deutschland ist die Sorte Bt 176 der Firma Syngenta verboten – und das wird nun auch so bleiben. „Die Entscheidung ist eine historische Wendung in der Genpflanzen-Politik. Endlich hören die Politiker auf die Bevölkerung, die gentechnisch veränderte Lebensmittel zu 80 Prozent ablehnt“, kommentierte Greenpeace-Gentechnik-Experte Eric Gall die Entscheidung. Nur Großbritannien und die Niederlande stimmten bei den meisten Produkten gegen die Schutzklauseln. Finnland und Schweden enthielten sich.

Die Kommission will nun ihr Regelwerk genau überprüfen. „Wir stecken in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite sitzt uns die WTO im Nacken, auf der anderen sind es die Mitgliedsstaaten“, sagte Barbara Helfferich, Sprecherin des EU-Umweltkommissars Starvos Dimas.

Nicht einigen konnten sich die Minister über eine Zulassung der Genmais-Sorte MON 863 von Monsanto. Das bedeutet, dass die Brüsseler Kommission bei ihrer Entscheidung nun freie Hand hat – diese Lösung sehen die EU-Verträge vor, wenn es im Rat keine qualifizierte Mehrheit gibt. „Der Rat ist ein feiger Verein“, sagte Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, der für die Grünen im EU-Parlament sitzt. Es sei wahrscheinlich, dass die Kommission den Genmais zulasse.

MON 863 soll vor bestimmten Würmern geschützt sein. Allerdings hatte Greenpeace erst Anfang dieser Woche mit einer Klage beim Oberverwaltungsgericht Münster die Veröffentlichung einer Monsanto-internen Studie erwirkt, nach der der Mais bei Ratten unter anderem zu Wachstumsstörungen und Organschäden führte.