berliner szenen
: Schönere Blumen kaufen

Was soll das hier denn werden?“, fragt mich im Vorbeifahren unvermittelt ein Mann, als ich gerade bei 33 Grad im Schatten versuche, ein halb zusammengebautes Fahrrad über eine Brücke zu manövrieren; in der rechten Hand den noch seitlich verstellten Lenker des Rades, in der linken den hinteren Reifen, auf der Schulter eine Tasche mit Schrauben und Werkzeugen.

Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und sage zähneknirschend: „Ich versuche, eine Onlinebestellung zum Fahrradladen zu schleifen, um sie zusammenbauen zu lassen.“ Der Mann, dem ich bereits einmal bei einem Spaziergang begegnet bin, springt vom Rad: „Ich kann das eben schnell für dich machen. Ich habe wenig Zeit, aber das sollte nur zehn Minuten dauern.“ Ich zögere. Aber bis zum Fahrradladen ist es noch weit, also nicke ich. Mit ein paar gezielten Handgriffen baut der Mann tatsächlich innerhalb weniger Minuten alles zusammen, verstellt Lenker und Sitzhöhe und erklärt mir dabei alle Handgriffe so, dass ich sie beim nächsten Mal auch selbst hinbekommen kann. Ich pfeife anerkennend. Er erklärt: „Ich habe Übung. Ich mache mein Leben lang alles selbst.“ Er habe, erzählt er, sechs Berufe gelernt: „Maurer, Schreiner, Elektriker …“

„Und jetzt?“, frage ich neugierig. „Was arbeiten Sie derzeit?“ „Jetzt“, erwidert der Mann zögerlich, „jetzt bin ich nur noch ein trauriger alter Mann.“ Vor einer Woche, erzählt er mit leiser Stimme, sei seine Frau gestorben. „Ein Krankenwagen und schon war das Leben, das ich hatte, vorbei.“ Nun sei er auf dem Weg, Blumen für die Beerdigung auszuwählen: Ich nicke betroffen und stecke ihm den Geldschein zu, den ich sonst im Fahrradladen gelassen hätte. Er nimmt ihn an und sagt: „Ich hätte das auch umsonst gemacht. Aber jetzt kann ich schönere Blumen kaufen.“ Eva-Lena Lörzer