piwik no script img

Die Wochenvorschau von Susanne MessmerHeinrichplatz wird Rio-Reiser-Platz

Die Sonne glüht, die Wiese verkohlt, der Wald brennt, Mensch will ins Wasser, aber halt, da war doch noch was, es könnte ja auch mal wieder ein bisschen Kultur sein, schließlich droht ab Herbst schon wieder Corona, und dann sitzen wir Ber­li­ne­r*in­nen wieder zu Hause und ärgern uns, dass den ganzen Sommer wieder nur See war. Schauen wir doch mal, was das zweite Berliner Kultursommer-Festival so zu bieten hat, 90 Events an 90 Tagen, seit Juni umsonst und draußen und überall in Berlin.

Und siehe da: Der Kultursommer bietet auch in dieser Woche Vieles, was trotz noch so hoher Temperaturen funktionieren könnte, völlig unangestrengt, zurückgelehnt, lässig. Gleich am Dienstagabend, den 16. August, lädt die Musikschule Crescendo inklusive Brassband und A Panda do Sol, einem Kollektiv, das brasilianische Fusion-Musik komponiert und produziert, im Biergarten des verwunschenen neuen Spielorts der S27 zum Konzert, es ist keine Anmeldung notwendig.

Am nächsten Tag, Mittwoch, 17. August, gibt es ab 19.30 Uhr vor der Berlinischen Galerie und auf dem Gelände der „Bauhütte Kreuzberg“ Videoarbeiten der 1981 in Helsinki geborenen Künstlerin Pilvi Takala – und auch einen Artist Talk mit ihr, Thomas Köhler, dem Direktor der Berlinischen Galerie, und Anne Bitterwolf, der Kuratorin des Video Art Programms. Pilvi Takalas Arbeiten sind so spannende wie lustige performative Interventionen, in denen sie soziale Normen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen stört und damit untersucht. In ihrer Videoarbeit „Stroker“ aus dem Jahr 2018 hat sie sich vor versteckter Kamera zum Beispiel in einem Londoner Coworking-Space, den hauptsächlich Start-ups nutzen, als „Wellness Consultant“ ausgegeben. Sie verhält sich gegenüber den dort Arbeitenden ausgesprochen freundlich und berüht sie ungefragt immer wieder sanft an der Schulter. Es ist erstaunlich, auf wie viel Ablehnung sie in dieser vermeintlich schönen, lockeren, neuen Arbeitswelt stößt.

Wer sich an solchen giftigen Auseinandersetzungen nicht ausreichend erfreuen kann und es vielleicht auch etwas bodenständiger mag, der kann sich schließlich am Sonntag, 21. August, ab 17 Uhr zum Heinrichplatz bewegen, der ab sofort nicht mehr Heinrichplatz heißen soll, sondern Rio-Reiser-Platz. Zur Einweihung dreht sich natürlich alles um den liebenswertesten und genialsten Sänger, den Berlin je hervorgebracht hat, und der nun schon seit fast 26 Jahren tot ist. Geplant ist ein Open-Air Konzert, auf dem unter anderen Ton Steine Scherben spielen, außerdem trägt Schauspielerin Laura Tonke Songtexte von Rio Reiser vor, moderiert wird das Ganze von Dragqueen Gloria Viagra. Sollen die Seen doch warten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen