Die Trümmergauner

ITALIEN Nach den Erdbeben sollen nun Freigänger bei den Aufräumarbeiten helfen. Eine umstrittene Idee

Vor dem Schuttberg eine Kolonne von etwa 30 Leuten, bewaffnet mit Schippen und Spitzhacken, um die Trümmer wegzuräumen – alle in gestreifter Sträflingskleidung, dazu die obligatorische Eisenkugel: Vielleicht sind es solche Bilder aus alten US-Filmen, die Italiens Justizministerin Paola Severino inspiriert haben.

„Häftlinge an die Erdbebenfront“: Diesen Vorschlag brachte Severino am Montag beim Besuch der JVA Bologna in der Bebenregion Emilia Romagna aufs Tapet. Doch sie schränkte gleich ein, die „gefährlichen Täter“ aus den Hochsicherheitstrakten sollen natürlich drinnen bleiben. Bloß die Freigänger, die wegen Drogendelikten Verurteilten und die große Schar der Häftlinge aus Nicht-EU-Ländern sollen den Außeneinsatz leisten.

Als „kleine Idee“ stufte Severino diesen Vorschlag ein, in den betroffenen Gemeinden hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Ingenieure würden benötigt, nicht aber Leute, die mal ein bisschen mit anpacken. Was genau die Häftlinge tun sollen, behielt Severino denn auch für sich. Trümmer wegräumen? Suppe ausgeben in den Zeltlagern,Wache schieben gegen mögliche Plünderer?

„Dealer um die Ecke haben wir doch selbst schon genug“, kommentierte ein Erdbebenopfer. Doch die Ministerin gibt sich überzeugt, dass ein Häftlingseinsatz „doppelt nützlich“ sei: Die Strafgefangenen könnten auf den Weg „der Resozialisierung und der Wiedereingliederung in die Gesellschaft“ gebracht werden – und die Gesellschaft könne in ihnen eine „gesellschaftlich nützliche Person statt einer Last“ sehen. Nützlich war der Vorstoß bisher allein für Frau Severino: Für einen Tag hatte sie die Schlagzeilen. MICHAEL BRAUN, ROM