Hören durch Spielen

Auch du kannst John, Paul, George und Ringo sein. Mit dem neuen Videospiel „The Beatles: Rockband“

Wer das Spiel startet, geht auf Zeitreise: Schwarz-weiß gekleidet wandern die Zeichentrick-Beatles durch ihre Beatzeit, springen in Taxis und landen in Amerika. Sie spielen im Shea-Stadion, bis der Bildschirm in psychedelischen Farben explodiert, Sonnen singen und Elefanten marschieren. In der etwas mehr als zwei Minuten langen Einleitung des neuen Videospiels „The Beatles: Rockband“ komprimiert sich die Geschichte der größten Popband der Welt. Es sind zwei Minuten, in denen die Beatles im Zeichentrickstil ihre Geschichte neu durchleben und gleichzeitig den Schritt aus den Gründungsjahren der Popmusik in das Videospielzeitalter machen.

Es ist ein gewagtes Projekt, das weiß auch der verantwortliche Spieldesigner Josh Randall: „Man kann viel falsch machen bei dem Spiel einer Band, mit der jeder Mensch etwas verbindet.“ Am meisten die Beatles selbst. Die zwei, die noch leben, präsentieren das Spiel mit gespieltem Desinteresse: Paul McCartney Kaugummi kauend, Ringo Starr mit den von ihm erwarteten Witzchen. „Sie haben Androiden aus uns gemacht“, sagt er. Doch der Auftritt täuscht: „So unbeteiligt waren sie gar nicht“, sagt Randall und berichtet von vielen Gesprächen, dem Willen der Beatles, ihr Spiel perfekt machen zu wollen.

Das Spielprinzip von „The Beatles: Rockband“ ist nicht neu. Es basiert auf bekannten Musikspielen. Spieler nehmen Plastikinstrumente in die Hand und drücken darauf Knöpfe im Rhythmus der Musik, wenn sie es richtig machen, läuft das Stück durch, bei Fehlgriffen stoppt ein Instrument. Was anfangs von der Musikindustrie belächelt wurde, ist inzwischen eine ihrer besten Einnahmequellen geworden. Songs für die Spiele werden öfter gekauft als ihre Entsprechungen bei iTunes.

„Die Idee kam von Dhani Harrison, dem Sohn von George“, sagt Randall. Der war schon lange ein Fan der Musikspiele und überzeugte schließlich die Beatles-Firma Apple, also McCartney, Starr, Yoko Ono und Olivia Harrison. „Wir haben es am Anfang nicht für möglich gehalten, dass das Spiel zustande kommt. Dhani aber hat dafür gekämpft und seine Idee durchgesetzt.“

Giles Martin, Sohn des Beatles-Produzenten George Martin, hat die Musik bearbeitet und für das Spiel tauglich gemacht. „Am Anfang war ich skeptisch“, sagt Martin, „bis mir klar wurde, was in diesem Spiel eigentlich passiert.“ Immer wieder werden die Songs gespielt, so lange, bis die Spieler es perfekt können. „So wie wir früher Alben zigfach angehört haben. Es ist ein viel intensiveres Hören als am iPod, wo man zwischen 30.000 Songs auswählen kann. Was kann man sich als Band Besseres wünschen.“

„Am tollsten war es, dass wir nach und nach das Vertrauen der Beatles bekamen“, sagt Randall und erinnert sich an sein schönstes Erlebnis: mit Olivia Harrison war das. „Ich war bei ihr eingeladen, damit wir das Ebenbild von George richtig ins Spiel bringen. Und plötzlich saß ich da bei ihr auf dem Sofa und schaute mit ihr Album für Album von Fotos durch.“ Bilder aus der Beatleszeit, Urlaubsfotos, von daheim. Er schluckt kurz, erzählt von Georges Gitarrensammlung, die er anschauen durfte, und sagt fast träumend: „Es war schon etwas ganz Besonderes, an diesem Spiel zu arbeiten.“ CARSTEN GÖRIG