Appetitanreger für eine Führung durch Köln

Die alternativen Stadtrundgänge von Stattreisen sind aus Köln nicht mehr wegzudenken. Einige wie „kölscher Klüngel, kölsches Bier“ sind sogar legendär geworden. Nun gibt es diesen und andere Stadtspaziergänge auch in Buchform

„Warum jetzt der 157. Stadtführer über Köln?“, stöhnt Heike Rentrop selbstironisch. Die Geschäftsführerin von Stattreisen hält ein druckfrisches Exemplar der „Spaziergänge in die Vergangenheit Kölns“ in den Händen. Er stellt auf 166 Seiten in Wort und Bild 15 der insgesamt 60 thematische Führungen aus dem Programm der alternativen Stadterklärer vor. Da geht es unter anderem um Karneval, alte Sagen, schwule Geschichte, Einwanderung oder Kriminalität.

„Werbung in eigener Sache“ ist die Antwort auf die Eingangsfrage. Rentrop ist überzeugt, dass nicht nur Touristen, sondern auch Kölner noch nicht alles über ihre Stadt (und Stattreisen) wissen. Aus diesem Grund wurde Stattreisen 1989 gegründet, zu den Geburtshelfern zählt der Stadthistoriker Martin Stankowski. Geschichte und Geschichten von unten wollte man erzählen und dabei die Orte und Zeiten nicht aussparen, die bei anderen Führungen lieber verschwiegen wurden. Etwa alles, was mit der Zeit des Nationalsozialismus zusammenhängt oder dem aktuellen kölschen Klüngel. Sicher nicht zufällig ist die Tour „Kölscher Klüngel, kölsches Bier“ eine der besonders gefragten.

Klar, dass dieser Spaziergang, der live durchaus feucht ausfallen kann, Eingang in das Buch gefunden hat. Auch in Schriftform ist er keineswegs trocken, sondern wie die anderen munter und dabei ohne Anbiederung erzählt. Das lässt sich vergnüglich lesen. Kleine Karten erlauben es, den Weg aus eigener Kraft zu verfolgen. Anekdoten erklären historische Hintergründe. Fazit: Die handlichen „Spaziergänge“ (und nicht nur die gedruckten) sind eine fundierte Bereicherung für den Coloniensia-Büchermarkt und ein Appetitanreger für eine „richtige“ Führung. Die leibhaftigen Stadtführer, zugleich auch Autoren der „Spaziergänge“, versichern, mehr Anekdoten auf Lager zu haben, als sie im Buch unterbringen konnten.

Auf Werbung ist Stattreisen durchaus angewiesen. Zwar kann der eingetragene Verein, der lange vor allem von ABM-Kräften lebte, inzwischen drei Halbtagskräfte und drei Dutzend freier Führer ernähren, die Bilanz für das Vorjahr liest sich gut, an 1.400 Führungen nahmen 10.000 Menschen teil, vor allem Schulklassen sowie Teilnehmer von Konferenzen oder Betriebsfeiern. Abwer die Kapazitäten sind noch lange nicht erschöpft. JÜRGEN SCHÖN

„Spaziergänge in die Vergangenheit Kölns“: Stattreisen köln (Hg.), ars vivendi, Cadolzburg 2005, ISBN 3-89716-535-X, Preis: 12,90 Euro