Etikettenschwindel

Im Norden verweigern Großkirchen dem Schuldenerlass der G8-Finanzminister für die ärmsten Länder den Segen

Im Bezug auf den Erlass von 33 Milliarden Euro Schulden an die ärmsten Länder sprechen die Finanz-Chefs der führenden Industrienationen von einem „historischen Beschluss“. Allerdings gibt es auch Kritiker: „Von einem Hundertprozent-Erlass zu reden, ist schlichtweg Etikettenschwindel“, ärgert sich Dietmar Müßig, Diözesandirektor der Päpstlichen Missionswerke im Bistum Hildesheim und Mitglied des bundesweit aktiven Entschuldungsbündnisses erlassjahr.de.

„Die Schulden wurden zu Marktkonditionen aufgenommen“, erläutert Müßig. Ein Beispiel: „Im Falle von Bolivien bleiben so statt der 100 nur 16 Prozent, wenn man das umrechnet.“ Gleichzeitig kritisiert erlassjahr.de, dass komplett unklar geblieben sei, „welche Länder und Banken warum berücksichtigt wurden“, so Müßig.

„Außerdem wird das mit Entwicklungshilfe-Einsparungen wieder ausgeglichen, so dass der Internationale Währungs Fond (IWF) und die Weltbank Nutznießer bleiben.“ Das Ganze sei nur ein weiterer Beweis dafür, dass sich nichts grundsätzlich ändert, solange die Gläubiger Herren des Verfahrens blieben. Hinter erlassjahr.de stehen rund 1.000 Organisationen, die schon seit langem ein Internationales Insolvenzrecht fordern. Hemmnis dafür sei auch die Angst der Staatschefs, künftig auf dem internationalen Parkett keine Rolle mehr zu spielen. Deshalb würden Neuverschuldungen und noch höhere Schuldendienste in Kauf genommen. „Jede Privatperson kann sich bankrott erklären und dennoch mit einem Mindestmaß weiter existieren“, erklärt Müßigs Kollegin Cornelia Johnsdorf von der evangelischen Landeskirche Hannover. „Das fordern wir auch für die Entwicklungsländer.“ Cornelia Johnsdorf sitzt im Bündnisrat von erlassjahr.de. Dieser hat schon Anfang des Jahres angefangen, eine Kampagne zu organisieren, um in Sachen Schuldenerlass auf die oberste politische Ebene einzuwirken.

Vor dem nächsten G7-Gipfel in Schottland soll am 4. Juli eine ganzseitige Zeitungs-Anzeige Bundeskanzler Schröder dazu auffordern, in Sachen Schuldenerlass Druck auf den Pariser Club auszuüben. An der Finanzierung der Aktion kann sich jeder mit Geldspenden beteiligen.

Kerstin Fritzsche

Weitere Infos unter www. erlassjahr.de