Vorzeigefrauen in Mexiko treten zurück

GENDERPOLITIK Acht Kandidatinnen haben bei der Parlamentswahl die Frauenquote erfüllt. Kaum im Amt, geben sie ihr Mandat an Männer weiter. Jetzt muss ein Ausschuss über die Gesuche entscheiden

BERLIN taz | In der mexikanischen Politik haben weiterhin die Machos das Sagen und Frauen sind allenfalls eine Zierde für Wahlplakate. Und sie sind wichtig, um das Wahlgesetz zu erfüllen. Das nämlich sieht seit 2007 vor, dass bei der nationalen Parlamentswahl kein Geschlecht mehr als 60 Prozent der KandidatInnen stellen darf. Vorher galt eine Maximalquote von 70 Prozent pro Geschlecht. Mindestens 40 Prozent müssen also Frauen sein, und so war es auch bei der Zwischenwahl zum Abgeordnetenhaus im Juli.

Bei der Eröffnungssitzung des neu zusammengesetzten Parlaments am vergangenen Wochenende aber wurde die Geschlechtergleichstellung schnell wieder vergessen: Acht der neu gewählten weiblichen Abgeordneten reichten gleich nach ihrer Vereidigung den Rücktritt ein, um das Mandat ihren durchweg männlichen Stellvertretern zu überlassen: dem Ehegatten, dem Bruder oder einem engen Freund.

Vier der Vorzeigefrauen gehören der Grünen Partei (PVEM) an, zwei kommen aus der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) und je eine aus der linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD) und der ebenfalls linken Arbeiterpartei (PMT). Die konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) von Präsident Felipe Calderón hatte offenbar nur ernsthafte Kandidatinnen aufgestellt und blieb ohne femininen Rücktritt.

Der Frauenanteil im Abgeordnetenhaus sinkt durch das schnelle Ausscheiden der acht von 27,6 auf 26 Prozent. Trotz Kandidatinnenquote liegt Mexiko damit deutlich hinter anderen lateinamerikanischen Ländern: Kuba etwa bringt es auf 43,2 Prozent Frauen im Parlament, Argentinien auf 40 und Costa Rica auf 36,8 Prozent. Unter den Parteimitgliedern jedoch haben in Mexiko die Frauen mit 52 Prozent die Mehrheit.

„Das ist Betrug an den Wählerinnen und Wählern“, schäumte Rocío García vom staatlichen Nationalen Fraueninstitut. Natividad Cárdenas vom unabhängigen Bürgerrat für die Verteidigung von Frauenrechten sprach von einem „würdelosen Missbrauch dieser Frauen“ und einer „Herabwürdigung demokratischer Werte“. Selbst die katholische Bischofskonferenz des Landes – ganz gewiss kein Hort des Feminismus – gab in einer Erklärung zu bedenken, dass ein Massenrücktritt solcher Fassadenkandidatinnen die Glaubwürdigkeit der staatlichen Institutionen untergraben könne.

Nur Grünen-Sprecher Jorge Legorreta verstand die Aufregung nicht: „In Mexiko gibt es noch viel schlimmere Dinge.“ Die Rücktritte seien „völlig legal und gesetzesgemäß“. Jetzt muss ein parlamentarischer Ausschuss über die Rücktrittsgesuche entscheiden. Er ist mehrheitlich mit Männern bestückt. TONI KEPPELER