Als das Showbiz Freunde entzweite

HIPHOP Der Dokumentarfilm „Beats, Rhymes & Life“ spürt der Karriere von A Tribe Called Quest nach

Die Goldene Ära des HipHop ist eng verflochten mit der Geschichte der Native-Tongues-Bewegung. Die Native Tongues waren zu Beginn der neunziger Jahre eine Reaktion auf den militanten Agit-HipHop Public Enemys und auf den Gangstarap von der Westküste. Statt auf Konfrontation setzten De La Soul, A Tribe Called Quest, die Jungle Brothers und Brand Nubian auf die Erfahrung einer gemeinsamen Geschichte und Sprache vor dem Hintergrund der rapide verfallenden „inner cities“ der amerikanischen Metropolen. Der lose Verbund der Native Tongues hielt diesem kulturellen und sozialen Niedergang ein neues Identitätsmodell zwischen Afrozentrismus, Geschichtsbewusstsein und positiven Vibes entgegen. Michael Rapaports großartige Dokumentation „Beats, Rhymes & Life: The Travels of a Tribe Called Quest“ bezieht ihren anfänglichen Enthusiasmus vor allem aus dieser einmaligen Konstellation unterschiedlicher Stimmen, Charaktere und Visionen, die für einen kurzen Moment ein utopisches Potenzial im HipHop bereithielten. Ein Gemeinschaftsgefühl, das weit über die turnusmäßigen Vermarktungsstrategien (gemeinsame Touren, gegenseitige Gastauftritte) der Musikbranche hinausging.

Teil einer Posse

A Tribe Called Quest um die Rapper Q-Tip, Phife Dawg, Jarobi und den Produzenten Ali Shaheed Muhammad galten zusammen mit De La Soul als die Wegbereiter der Native-Tongue-Idee. Ihr erstes Album, „People’s Instinctive Travels and the Paths of Rhythm“, setzte über Nacht die Spielregeln des HipHop, was Flow, Rhythmus und Sound anbelangte, außer Kraft. Der Nachfolger „Low End Theory“ (mit dem Jazzveteranen Ron Carter am Bass) eröffnete dem HipHop neue Möglichkeiten des Zusammenspiels und der Improvisation; ATCQ ähnelten zu dieser Zeit bereits mehr einem Jazzensemble. In „Beats, Rhymes & Life“ sind ein paar frühe Liveaufnahmen zu sehen, die einen schönen Eindruck vermitteln, wie spielerisch und unangestrengt Q-Tip, der nasale Abstraktionist, und der etwas bodenständigere Phife Dawg („Ying und Yang des HipHop“) auf der Bühne interagierten. Sie schienen für die Ewigkeit bestimmt. 1998 war nach fünf Alben plötzlich Schluss. Persönliche Differenzen.

Der Bruch zwischen Q-Tip und Phife Dawg ist der Punkt, an dem Rapaports Film interessant zu werden beginnt. Hier greifen die herkömmlichen Mechanismen der Musikdokumentation (Bandgeschichte, Talking Heads, Konzertmitschnitte, Anekdoten, Aufnahmen im Studio) ins Leere.

Schwelender Konflikt

Dass der schwelende Konflikt zweier so starker Künstlerpersönlichkeiten früher oder später das Ende von A Tribe Called Quest bedeuten würde, war abzusehen. In der Metallica-Dokumentation „Some Kind of Monster“ treiben die aufgeblasenen Egos der Musiker die komplette Band in eine absurde Gruppentherapiesituation. „Beats, Rhymes & Life“ ist da ungleich ernsthafter, weil der Film, wohl auch zu Rapaports Überraschung, mit einigen Mythen nachhaltig aufräumt. Auch in der so einträchtigen Native-Tongues-Szene waren widerstrebende und von persönlichen Interessen geleitete Kräfte am Werk.

Welche Rolle die schwere Zuckerkrankheit von Phife Dawg („the funky diabetic“) letztlich bei der Trennung spielte, vermag auch der Film nicht abschließend zu klären. ATCQ-Fan Rapaport steht irgendwann, ähnlich wie der zurückhaltende Ali Shaheed Muhammad, hilflos zwischen den unversöhnlichen Parteien, die sich vor laufender Kamera in bester Reality-TV-Manier beschimpfen. Wie Rapaport sein Film allmählich entgleitet, ist schon eindrucksvoll mitanzusehen. Auch wenn „Beats, Rhymes & Life“ nach einem kleinen Zeitsprung noch halbwegs versöhnlich endet, bleibt ein bitterer Nachgeschmack zurück. Eine Freundschaft ist, gewissermaßen vor unseren Augen, zerbrochen; es ist einer der weniger erfreulichen Aspekte dieses, nun ja, Geschäfts. So hätte man sich den Ausgang dieser wunderbaren Geschichte damals wohl nicht vorgestellt, im goldenen HipHop-Sommer 1990.

ANDREAS BUSCHE

■ „Beats, Rhymes & Life. The Travels of A Tribe Called Quest“. Regie: Michael Rapaport, USA 2011, 98 Min.