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Neuer Präsident in Sri Lanka gewähltAltpolitiker setzt sich durch

Sri Lankas Parlament wählt den sechsfachen Premier Ranil Wickremesinghe zum neuen Präsidenten. Das sorgt für Ärger in der Protestbewegung.

Hat keinen Halt in der Bevölkerung: Ranil Wickremesinghe Foto: Eranga Jayawardena/ap

Colombo taz | „Was ist mit unseren Träumen. Kochgas, Benzin, die Familie ernähren zu können, das sind unsere Träume geworden“, ruft Varie Cally Balthazar, eine der vielen, die zum Protest am Mittwoch gekommen sind. Sie steht auf den Stufen des Präsidialbüros der sri-lankischen Hauptstadt Colombo. In ihrer Stimme ist die Enttäuschung zu hören. Die Abgeordneten hatten die Wahl, einen neuen Interimspräsidenten zu bestimmen. Obwohl Hunderte Protestierende versucht haben, gegen den Altpolitiker Ranil Wickremesinghe zu mobilisieren, hatten sie wenig Einfluss darauf, was sich im Parlament abspielte.

Noch am Vorabend malten sie gegenüber dem Büro an der prachtvollen Strandpromenade Galle Face Green mit weißer Schrift auf schwarze Banner: „Abgeordnete, lasst euch nicht von Ranil kaufen“. Doch bei der Abstimmung holte er sich 134 der 219 gültigen Stimmen und damit eine klare Mehrheit. Sein Herausforderer, der ehemalige Informationsminister Dullas Alahapperuma, 63, erhielt dagegen nur 82 Stimmen, und nur ganze drei entfielen auf Anura Kumara Dissanayake, den Vertreter der größten linken Partei des Landes.

„Diese 134 gierigen, egoistischen Politiker, sie vertreten uns nicht“, setzt Balthazar an. Sie spricht aus, was viele in der Bevölkerung denken. Sie fühlen sich betrogen. Weder das Parlament noch der Interimspräsident Wickremesinghe vertreten sie, sorgen sich um das Überleben der einfachen Bevölkerung. Seit Monaten leiden die In­sel­be­woh­ne­r:in­nen an den Folgen einer schweren Wirtschaftskrise. Somit dauerte es nicht lange, nachdem das Wahlergebnis feststand, bis sich Menschen zum Protest versammelten. Sie kamen aus dem nahe gelegenen Camp und aus anderen Teilen des Landes.

Das Misstrauen gegen Wickremesinghe ist groß

Dass Wickremesinghe keinen Halt in der Bevölkerung hat, zeigte sich immer klarer. Am Dienstag zündeten Protestierende eine Ranil-Puppe vor dem Präsidialbüro an, um zu verdeutlichen, dass sie einen Neuanfang ohne den sechsfachen Ex-Premierminister wollen, der die Elite verkörpert. Die Protestierenden änderten ihren Slogan in „Go home, Ranil“. Zuerst richtete er sich mit „Go home, Gotya“ gegen den mittlerweile zurückgetretenen Präsidenten Gotabaya Rajapaksa.

Verschiedene Fraktionen hatten versucht, Ranil Wickremesinghe zu verhindert. Die größte Oppositionspartei zog ihren Vorschlag zugunsten des Abgeordneten Alahapperuma zurück. Selbst tamilische Parteien hatten angekündigt, für Alahapperuma zu stimmen, der aus dem politischen Lager des geflohenen Ex-Präsidenten Gotabaya Rajapaksa stammt.

Im Parlament verfügt die budhistisch-nationalistische Volksfront SLPP der Rajapaksa über eine Mehrheit. 2019 wechselte Alahapperuma in die SLPP. Dennoch galt er bei der Abstimmung am Mittwoch als Kandidat, der den Rajapaksa weniger nahesteht als der liberalkonservative Wickremesinghe.

Ex-Präsident Gotabaya Rajapaksa hatte Wickremesinghe im Mai zum Premier ernannt. Nachdem er sich absetzen konnte, schlug er ihn als Präsidenten vor. Auch aus diesem Grund ist das Misstrauen unter der Bevölkerung gegenüber Wickremesinghe groß. Ob er wirklich ein Verbündeter der Rajapaksa sei oder versucht, sich als Politiker zu profilieren, müsse aber geprüft werden, sagt Paikiasothy Saravanamuttu, Gründer und Direktor des Centre for Policy Alternatives (CPA) in Colombo.

70 Prozent wollen das Präsidialsystem abschaffen

Wickremesinghe wird viel Erfahrung angerechnet und die Kompetenz, mit dem Internationalen Währungsfonds IWF Verhandlungen zu führen. Doch ob das genug ist, bezweifelt Saravanamuttu. „Was passieren muss, sind allgemeinen Wahlen. Wir müssen mit einer Reihe von neuen Vertretern im Parlament neu anfangen, und dann können wir eine neue Verfassung diskutieren“, sagt er.

Doch Wahlen sind wohl erst im kommenden Jahr geplant. Mit einer Verfassungsreform spricht er an, was die Protestierenden der Bewegung Aragalaya fordern, was auf Singhalesisch Kampf heißt. Sie sind die treibende Kraft hinter dem über 100 Tage andauernden Protestcamp an Colombos Strandpromenade Galle Face Green. Laut einer jüngsten Umfrage ist das nicht nur ein Wunsch der Jugend. 70 Prozent der Inselbewohner wollen das Präsidialsystem abschaffen. Sie haben in den vergangenen Jahren spüren müssen, wie sehr ein zu mächtiger Präsident ihre Demokratie einschränkt.

„Unser Kampf wird weitergehen, bis eine neue Regierung ohne Korruption etabliert ist“, sagt Poornima Wijesooriya, eine Lehrerin aus Colombo. „Wir brauchen eine Änderung in der Einstellung der Menschen. Die parlamentarischen Vertreter und die Staatsoberhäupter sollten den Bürgern des Landes dienen und nicht nur Privilegien genießen“, fügt sie hinzu. Aufgegeben hat sie noch nicht, genauso wenig die Bewegung Aragalaya. Die wurde jedoch von Wickremesinghe bereits als „Faschisten“ denunziert.

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