Emanzipation auf brüchigen Wegen

In ihrem neuen Roman erzählt die Schriftstellerin Najat El Hachmi von gescheiterten Versuchen, frei zu sein, und von einer Frauenfreundschaft

Najat El Hachmi: „Am Montag werden sie uns lieben“. Aus dem Katalanischen von Michael Ebmeyer. Orlanda Verlag, Berlin 2022, 272 Seiten, 22 Euro

Von Carola Ebeling

Es ist bereits der fünfte Roman der vielfach ausgezeichneten katalanisch-marokkanischen Autorin Najat El Hachmi und der dritte, der nun auf Deutsch vorliegt: Für „Am Montag werden sie uns lieben“ erhielt sie 2021 den renommierten Nadal-Literaturpreis. Gewidmet ist das Buch den „Mutigen, die vom rechten Weg abwichen, um frei zu sein. Auch wenn es schmerzte“ – und dies gilt für alle ihre Bücher, in denen sie junge Frauen, muslimische Migrantinnen der zweiten Generation in den Mittelpunkt stellt.

El Hachmi, 1979 in Marokko geboren, kam im Alter von acht Jahren nach Katalonien, das Ringen ihrer Frauenfiguren um einen Weg zwischen den Ansprüchen ihrer Familien und den Werten und Vorstellungen der Kultur, in die sie migrierten, sind durch eigene Erfahrungen geprägt.

Auch im neuen Roman lassen sich Bezüge zu ihrer Biografie herstellen: Nicht von ungefähr ist die Ich-Erzählerin, deren Perspektive die Le­se­r*in­nen durch das gesamte Buch folgen, eine in der Erzählgegenwart anerkannte Schriftstellerin. Im Rückblick ent­faltet sich eine Art Entwicklungsroman, eine brüchige und die Protagonistin fordernde Emanzipationsgeschichte – gestaltet als ein Monolog, ein langer Brief, gerichtet an die engste Freundin, die häufig mit einem „du“ adressiert wird, namenlos bleibt und auf ungewisse Art abwesend ist.

„Ich wurde in deinem Schutz erwachsen, ohne dich hätte ich nicht überlebt. […] Dies ist die Geschichte unserer gescheiterten Versuche, frei zu sein, obwohl wir uns anpassten, und die Geschichte unserer endgültigen Flucht, als uns bewusst wurde, dass das eine mit dem anderen nicht vereinbar war“, heißt es in einer Art Vorrede. In den knappen Sätzen deuten sich die Versuche an, sich zunächst Freiheiten innerhalb der gesetzten, engen Grenzen zu verschaffen. Und die schmerzhaft gewonnene Erkenntnis, dass die Hoffnung, mit der Familie verbunden bleiben zu können und gleichzeitig freier zu leben, sich als Illusion erwies.

Ihre Empathie übersetzt die Autorin in eine vielschichtige Erzählung

El Hachmi erzählt nun in einer klaren Sprache, in einem sehr persönlichen Ton. Es geht um tiefe Scham angesichts des sich verändernden Körpers, des eigenen Begehrens, für das es nicht mal Worte gibt. Um den Wunsch, sich den Ansprüchen des religiösen Vaters und der sozialen Kontrolle, die in „der Vorstadt einer Vorstadt von Barcelona“ herrscht, zu entziehen. Eine frühe Ehe mit einem Mann ihrer Wahl soll für ein neues Leben stehen, doch die folgende Mutterschaft beendet das mühsam errungene Studium.

Die Freundin ist ihr ein verheißungsvoll schimmernder Spiegel, denn sie scheint die Dinge selbstbewusster zu meistern. In der Empathie der Erzählerin spiegeln sich wiederum deren Versehrtheiten, die schließlich schmerzhaft zutage treten. In einem extrem patriarchalen Umfeld hält die Autorin die Freundschaft zwischen den Frauen hoch, sie ist Stärkung, Zuflucht, Rettungsanker. El Hachmi erzählt auch von den Fallstricken der vermeintlichen Freiheiten der modernen spanischen Gesellschaft sowie von Rassismus und Diskriminierung. Wenn sich die Leute denn für die „Moros“ interessieren, – ein abwertender, antimuslimisch geprägter Begriff für Nord­afri­ka­ne­r*in­nen –, sollen sie bitte ihren Wunsch nach Exotismus bedienen.

Auch für die jungen marokkanischen Migrantinnen heute, die sich teils noch strengeren Regeln zu unterwerfen hätten, spricht El Hachmis Erzählerin. Ihre Empathie weiß die Autorin in eine vielschichtige Erzählung zu übersetzen; weiß den Schmerz, die Zerrissenheit, aber auch die Wut und die Bewusstwerdung ihrer Protagonistinnen, ihren unbedingten Freiheitswillen, eindrücklich zu vermitteln.