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Ruanda-Völkermordprozess in FrankreichPräfekt wegen Beihilfe verurteilt

Laurent Bucyibaruta leitete Ruandas Präfektur Gikongoro während des Völkermordes 1994. Dort fanden einige der größten Massaker an Tutsi statt.

Verurteilt: Laurent Bucyibaruta Foto: KT Press

Berlin taz | Der Prozess gegen den bisher höchstrangigen in Frankreich angeklagten mutmaßlichen Täter des Völkermordes an den Tutsi in Ruanda 1994 ist mit einem Schuldspruch zu Ende gegangen. Ein Gericht in Paris verurteilte den ehemaligen Präfekten des südruandischen Distrikts Gikongoro, Laurent Bucyibaruta, am Dienstagabend zu 20 Jahren Haft. Der 78-Jährige, der wegen seines Alters Haftverschonung genoss, wurde um­gehend ins Gefängnis gebracht. Sein Prozess hatte am 9. Mai begonnen.

In der Präfektur Gikongoro fanden einige der grausamsten Massaker des Völkermordes statt. Der begann am 7. April 1994, als Hutu-Extremisten in Ruanda die Macht ergriffen, um per Tötung aller Tutsi des Landes eine Machtteilung mit der Tutsi-Rebellenarmee RPF (Ruandische Patriotische Front) zu stoppen. Armee und Milizen töteten rund eine Million Menschen, bis die RPF Ruanda eroberte und die Völkermordtäter ins benachbarte Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) verjagte.

Ruandas Präfekten, zuständig für die öffentliche Ordnung, waren Schlüsselfiguren der Ausführung des Genozids. Auf präfektorale Anweisung wurden Tutsi-Bevölkerungen in Gikongoro in öffentlichen und kirchlichen Gebäuden versammelt und massakriert.

So starben am 14. April 1994 auf dem Kirchengelände von Kibeho rund 25.000 Tutsi, am 21. April auf dem Schulgelände von Murambi mindestens 20.000 – die Militäraktionen wurden auf Treffen unter Vorsitz des Präfekten geplant, so die Anklage.

Bucyibaruta habe zwar nicht selbst getötet, aber von allen Opfern im Distrikt Gikongoro „Blut an den Händen“, so die Staatsanwaltschaft.

Urteil stell niemanden ganz zufrieden

Die Verteidigung hingegen plädierte auf Freispruch und sagte, der Präfekt habe nichts von der „Völkermordlogik“ gewusst – man dürfe nicht aus seiner hierarchischen Stellung auf seine reale Verantwortung schließen. Der Angeklagte selbst bedauerte vor Gericht, dass es ihm nicht gelungen sei, Tutsi zu retten.

Das Urteil gibt keiner Seite vollständig recht. Bucyibaruta wurde schuldig gesprochen – aber nicht wegen Völkermordes, sondern lediglich wegen „Beihilfe“ zum Völkermord, in Massakern mit insgesamt 75.000 Toten. So erhält er nicht lebenslange Haft, sondern 20 Jahre, was allerdings im Alter von 78 Jahren wenig Unterschied macht.

Es sei nicht erwiesen, dass Bucyibaruta „das gesamte Ausmaß des Völkermordplanes“ gekannt habe, so die Richter. Völkermordüberlebende, die als Nebenkläger auftraten, äußerten sich dennoch zufrieden, da der Schuldspruch den Völkermord anerkenne.

Dass Bucyibaruta in Frankreich vor Gericht stand, hat eine Vorgeschichte. Gikongoro war eine der ersten Regionen, die Ende Juni 1994 von französischen Eingreiftruppen besetzt wurde. Er floh nach Zaire, wie auch der Rest des von Frankreich gestützten Völkermordregimes.

Als Ruandas neue RPF-Regierung dort Ende 1996 einmarschierte, um die reorganisierte Armee der ruandischen Exil-Hutu zu zerschlagen, floh er über die Zentral­afrikanische Republik nach Frankreich. Dort erging gegen ihn ein Haftbefehl des Internationalen Ruanda-Völkermordtribunals ICTR. Als er 2007 in Frankreich festgenommen wurde, überließ das Tribunal den Fall der französischen Justiz.

Derweil sind einige seiner engsten Mitarbeiter aus der Zeit des Genozids weiter aktiv. So wurde sein Unterpräfekt Damien Biniga Protokollchef der aus der Völkermordarmee hervorgegangenen ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) in der kongolesischen Provinz Nord-Kivu.

In Untersuchungsberichten wird Biniga als eigentlicher Scharfmacher in Gikongoro während des Völkermords beschrieben, der nach Angaben von Überlebenden manche Massaker direkt vor Ort befehligte – anders als Bucyibaruta.

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