Das Wulfekuhl-Tribunal

ZENSUR-VORWURF Bundeswehrkritische Veranstaltungen hat die Landeszentrale für politische Bildung aus einem Programm sortiert: Ein Podium formuliert harsche Kritik

„Wenn Sie die Bundeswehr als ,Angriffsarmee eines imperialistischen Landes‘ definieren, können Sie nicht Partner der staatlichen politischen Bildung sein“

HERBERT WULFEKUHL

VON CHRISTIAN JAKOB

Viel diskutiert wurde nicht, Redner und ZuhörerInnen waren sich bis auf Nuancen einig: Die Bremer Landeszentrale für politische Bildung hat „politische Zensur und präventive Gesinnungskontrolle geübt, da gibt es kein Vertun“, so formulierte es der Bremer Pädagogik-Professor Freerk Huisken.

Rund 70 Menschen waren zu einer von der Georg-Elser Initiative Bremen (GEIB) organisierten Podiumsdiskussion „Die Schere im Kopf – Zur Meinungsfreiheit in der politischen Bildung“ am Dienstagabend ins DGB-Haus gekommen. Nicht jedoch der als Diskutant geladene Adressat des Zensurvorwurfs, der Landeszentralen-Chef Herbert Wulfekuhl. Der erklärte vorab, er werde der Veranstaltung fernbleiben, weil diese „überflüssig wie ein Kropf“ sei.

Im Juni hatten GEIB und die Landeszentrale die Wanderausstellung „Was damals Recht war…“ in die untere Rathaushalle geholt. Sie handelte von den rund 30.000 Deserteuren und „Wehrkraftzersetzern“, die von Gerichten der Wehrmacht zum Tode verurteilt wurden. Im Begleitprogramm sprachen auch Bundeswehroffiziere. Doch Veranstaltungen der Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe zum Anti-Terror-Paragrafen 129 und der Bremer Antikapitalistischen Linken zu Totalverweigerung durften nicht ins Begleitprogramm.

Landeszentralen-Chef Wulfekuhl waren die Thesen zu radikal. „Wenn Sie die Bundeswehr als ,Angriffsarmee eines imperialistischen Landes‘ definieren, können Sie nicht Partner der staatlichen politischen Bildung sein“, beschied er ihnen. Es gebe „keine Angriffsarmee“ und Deutschland sei „kein imperialistischer Staat“.

Von dem Sozialpädagogik-Professor Rudolf Bauer und dem Rechtsanwalt Rolf Gössner habe Wulfekuhl „Nachweise der Wissenschaftlichkeit“ und ein „Bekenntnis zur herrschenden Meinung“ verlangt, klagten die beiden. Ihre Vorträge durften allerdings stattfinden. „Ich wüsste gern: Hat er den Bundeswehr-Offizier wohl auch nach seiner Wissenschaftlichkeit gefragt?“ fragte Gössner am Dienstag.

Wulfekuhl habe mit seiner „unklugen und anmaßenden Intervention“ die Definitionsmacht über Wissenschaftlichkeit beansprucht, um missliebige Inhalte auszusortieren. „Mit demokratischer politischer Bildung hat das absolut nichts zu tun.“

Teile der GEIB hatten sich vorab von der Diskussion distanziert, darunter auch der Vorsitzende Eike Hemmer. Sie hielten „diese Form der Auseinandersetzung für unangemessen“, erklärte sie vorab. Auf ihr Bitten sagten auch der Pastor Rolf Saenger-Diestelmeier, Mitglieder der Nordbremer Initiative gegen den Krieg oder der Bremer Friedensstiftung „die Schwelle“ ihre Teilnahme an der Veranstaltung im DGB-Haus ab.

GEIB-Kassenwart Hans-Dieter Binder zieht dennoch ein positives Fazit des Abends. „Wir konnten uns sachlich daran abarbeiten.“ Der Podiumsdiskussion habe ein Mehrheitsbeschluss der GEIB zu Grunde gelegen. Nun werde man sich intern auseinandersetzen: „Wir wollen den Streit innerhalb der Initiative.“ Ob sich der Riss wieder kitten lasse „wird sich zeigen“, so Binder. Er sei da aber „ganz optimistisch.“

In jedem Fall ist die Angelegenheit noch nicht ausgestanden: Der Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Jost Beilken kündigte im DGB-Haus an, er werde wegen der Landeszentralen-Intervention eine Große Parlamentarische Anfrage einreichen: „Wulfekuhl muss gemaßregelt werden.“