: Hommage an den zweiten Rang
Gute Laune mit René Pollesch: „Liebe, einfach außerirdisch“ am Deutschen Theater ist einfach unterirdisch dünn
Von Katrin Bettina Müller
Aus den Inszenierungen von René Pollesch nimmt man ja gern das ein oder andere Bonmot mit. Zum Zustand der Kunst, des Theaters oder der Welt überhaupt. Wie wäre es mit „Theater, da sehen Leute, die immer ihre eigenen Texte sprechen müssen, Leuten zu, die das nicht tun.“ Hm, geht so.
„Liebe, einfach außerirdisch“ heißt der jüngste Streich von Pollesch, die Premiere – nein, nicht an der Volksbühne, sondern am Deutschen Theater – kam krankheitsbedingt verschoben am 1. Juli heraus. Dass er überhaupt am DT inszeniert, wo er doch als Intendant alle Hände voll am eigenen Haus zu tun haben sollte, wurde schon vorab kritisiert – allerdings geht die Inszenierung auf eine ältere Verabredung zurück. Als Intendant der Volksbühne muss er sich vorwerfen lassen, viele kulturpolitische und ästhetische Erwartungen nicht erfüllt zu haben, die geringe Auslastung nicht in den Griff zu bekommen, zu viele Lücken und zu wenig Abwechslung im Spielplan zu haben. Nun, nach der Premiere von „Liebe, einfach außerirdisch“, kann man zumindest sagen: Allzu viel Energie und Hirnschmalz hat er für diese Alien-Parodie vermutlich nicht abgezweigt.
Das Stück sorgt für gute Laune, das ja. Von Discomusik unterstützt kann man zuschauen, wie Sophie Rois als Sonderbeauftragte Yakushova eines fernen Planeten sich zum ersten Mal in der Haut eines Menschen wiederfindet und herausbekommen möchte, was Sex eigentlich ist. Trystan Pütter als verrückter Professor, der mit einem Radarstrahl versehentlich ihre Galaxie berührt hat, ist ihr Versuchskaninchen und wird mitten im Hochfahren der Libido immer wieder irritiert von ihren Gesprächen mit Unsichtbaren oder merkwürdigen Fragen. Kotbong Yang ist als ihre Assistentin oder seine Putzfrau die Dritte im Bunde. Sie führt Yakushova Videos über das Balzverhalten von Mensch und Tier vor, und wie Rois die in ungeübter Mimikry übernimmt, ist zum Kringeln.
In jedem Boulevard-Theater wäre man glücklich über solche Szenen. Aber auch dort versuchen die Stücke heute, etwas mehr Inhalt und mehr kritischen Blick auf die Gesellschaft mit dem Spaß zu verbinden und sich nicht mit einem Mix aus Science-Fiction-Film-Zitaten und deren Parodie – zumal die oft selbst schon parodistisch angelegt sind – zu begnügen. „Liebe, einfach außerirdisch“ ist einfach unterirdisch dünn geraten. Beim Zuschauen dachte ich oft an die letzte Komödie der Schaubühne, „Der Krieg mit den Molchen“, ebenfalls futuristischer Stoff, der in der Inszenierung von Clara Weyde eben nicht nur mit Witz, Slapstick und Albernheiten unterhielt, sondern auch ständig beklemmende Bezüge zur Gegenwart, ihren Konflikten und Ängsten aufscheinen ließ.
Da steckte so viel drin, was nach dem Lachen noch weiterarbeiten konnte im Kopf.
Dagegen ist der Blick auf die Geheimnisse der sexuellen Triebkraft in „Liebe, einfach außerirdisch“ doch etwas eindimensional geraten. Spätestens nach der zehnten Wiederholung des jedes Mal misslingenden Tests, ob sich hinter der Einladung auf eine Tasse Kaffee tatsächlich der Wunsch nach Sex verbirgt, lässt die Begeisterung über diese fortgesetzte Produktion von Missverständnissen nach. Und am nächsten Morgen fragt man sich: Gab es eigentlich auch noch andere Szenen?
Ja, da war noch was. Ein Leuchtturm steht auf der Bühne, oben rauchen der Wissenschaftler und die Außerirdische gelegentlich. Eigentlich will sie ihm endlich gestehen, ein Alien zu sein. Aber Sophie Rois kommt nie dazu, aus der Rolle geworfen von der Tatsache, dass oben auf dem Turm die Zuschauer im zweiten Rang sie nicht sehen können. Dabei sind die Zuschauer auf den billigen Plätzen doch das Herz des Theaters und Rois ihnen alles zu geben bereit. Dafür liebt man sie, auch in diesem Stück.
Wieder am 7./9./10. Juli am DT
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