Proteste gegen Schweizer Konzern

ROHSTOFFE Die Bevölkerung Perus wehrt sich gegen die Folgen des Bergbaus. Zum zweiten Mal binnen einem halben Jahr hat Präsident Ollanta Humala in einer Region den Notstand ausgerufen

In Blutproben von 500 Anwohnern tauchten erhöhte Schwermetallkonzentrationen auf

ESPINAR taz | Angespannte Ruhe herrscht derzeit in der peruanischen Provinzstadt Espinar. Seit Ende Mai gilt in der Stadt und der umliegenden Region der Notstand. Damit hat die Nationalregierung auf die heftigen Proteste gegen die Mine Tintaya und deren Betreiber, den Schweizer Bergbaukonzern Xstrata, reagiert, bei denen mindestens zwei Menschen starben. 76 wurden verletzt. Zentrum der Proteste war der kleine Ort Tintaya Marquiri. Der kleine peruanische Ort liegt rund zwölf Kilometer von der Provinzhauptstadt Espinar und nur einen Steinwurf entfernt von einer der ältesten Kupferminen Perus. Die Mine Tintaya wurde vor sechs Jahren von Xstrata übernommen.

„Vorwürfe wegen Umweltverschmutzung hat es auch früher schon gegeben“, sagt der Anwalt Ernesto de la Jara, „heute gibt es jedoch handfeste Beweise.“ Er arbeitet für die Menschenrechtsorganisation Instituto de Defensa Legal, die im Auftrag mehrerer Bauern Klage gegen Xstrata eingereicht hat. Dabei stützt sich der 47-jährige Jurist auf eine Studie des peruanischen Gesundheitsministeriums, das anhand von Blut- und Urinproben bei 500 Anwohnern erhöhte Schwermetallkonzentrationen feststellte, sowie auf die Ergebnisse von 50 Wasser- und 29 Bodenproben, die im Herbst letzten Jahres genommen wurden. 29 der Wasser- und 27 der Bodenproben weisen Schwermetallkonzentrationen auf, die deutlich über den Grenzwerten liegen.

„Diese Ergebnisse und die Untätigkeit der Behörden sind es, die in der Region für Unmut sorgen“, erklärt Ruth Luque Ibarra. Sie arbeitet für eine Menschenrechtsorganisation der katholischen Kirche und war im Mai gemeinsam mit dem Bürgermeister von Espinar, Óscar Mollohuanca, in der Schweiz, um mit der Konzernführung zu sprechen. Ohne echte Ergebnisse, denn das Unternehmen hat die Vorwürfe zurückgewiesen.

Man arbeite bei der Kupfergewinnung mit einem geschlossenen Kreislauf, sodass die Wasserverschmutzung nicht auf die Bergbauaktivitäten zurückzuführen seien, heißt es in einer Xstrata-Stellungnahme. Diese Haltung des Konzerns und die Untätigkeit der Behörden hat zu den Protesten beigetragen, erklärt der Bergbauexperte José de Echave. Bis November 2011 war er Vizeminister im Umweltressort und trat wegen der zahlreichen Konflikte im wichtigsten Wirtschaftssektor des Landes und weil die Regierung keine Konfliktlösungsstrategie hatte, zurück. „Wir brauchen endlich einen Flächennutzungsplan, um verbindlich festzulegen, wo geschürft werden darf und wo nicht. Zudem fehlen uns die Kontrollinstrumente, um Umweltdelikte nachzuweisen und auch zu ahnden“, mahnt de Echave. Heute arbeitet er für die Nichtregierungsorganisation Cooperacción und sieht Investoren und die Abnehmer von Industrie und Edelmetallen in der Pflicht. „Freihandelsverträge wie zwischen der EU und Peru lassen wenig Spielraum, um die Umweltgesetzgebung zu verbessern. Da können Unternehmen im schlimmsten Fall vor Gericht ziehen und auf Schadenersatz klagen, weil sich die Investitionsbedingungen negativ verändert haben“, so de Echave. Auch die Rohstoffpartnerschaften, wie sie die Bundesregierung mit Chile, Peru und anderen Staaten anstrebt, sind aus dieser Perspektive nicht unproblematisch. Die deutschen Rohstoffinteressen und das Freihandelsabkommen werden beim Besuch von Perus Präsidenten Ollanta Humala am nächsten Dienstag im Kanzleramt auch auf der Agenda stehen.

Falls Humala wirklich kommt. Denn der Bergbau hält seine Regierung seit Monaten in Atem. Neben dem neuen Konflikt um Xstrata ist auch der um die Ausweitung der Goldmine Yanacocha, das sogenannte Proyecto Conga, noch nicht beigelegt. Dort, in der Region von Cajamarca, rund sieben Fahrtstunden von Lima entfernt, soll es zu weiteren Demonstrationen kommen. Die könnten auch in Espinar wiederaufflackern, denn dort wurde mit dem Bürgermeister Óscar Mollohuanca jener Mann wegen Aufwiegelei inhaftiert, der in den letzten Monaten mit allen Beteiligten im Gespräch war. Ein Plädoyer für Verständigung war das nicht.

KNUT HENKEL