Die Poetin, der Pfarrer, der Zeichner und der Archivar

KURZKATALOG Eine kleine exemplarische Auswahl der Künstler, die auf der documenta in Kassel gezeigt werden

Etel Adnan (87): Die Schriftstellerin, Dichterin, Dramatikerin und Künstlerin ist in Beirut geboren. Über Paris führte sie ihr Weg nach Kalifornien. Seit dem Protest gegen den Vietnamkrieg verarbeitet sie in ihrem zwischen Poesie und Malerei changierenden Werk Zeitgeschichte. In Kassel zeigt sie abstrakte Landschaftsgemälde, die zwischen 1950 und 2011 erschienen sind.

Anna Boghiguian (66): Die gebürtige Kairoerin zeichnet und malt Menschen und Städte. Ihre Betrachter führt sie auf eine Reise von antiken Zivilisationen wie Alexandria zu den Straßen moderner Metropolen wie Kalkutta. Für die documenta 13 hat sie die Installation „Unfinished Symphony“ in Gestalt eines riesigen Ohrs geschaffen, in die sie Zeichnungen mit Motiven aus Religion und Politik gehängt hat.

Korbinian Aigner, 1885 in Bayern geboren, starb 1966 in Freising: Die Nazis steckten den bayerischen Dorfpfarrer, der sich weigerte, Kinder auf den Namen Adolf zu taufen, ins KZ, in Dachau und in Sachsenhausen. Im KZ Dachau gelang es ihm, den heute nach ihm benannten „Korbiniansapfel“ zu züchten. Die documenta zeigt Aigners damals entstandene Zeichnungen von Äpfeln und Birnen – und hat in der Karlsaue einen Korbiniansapfelbaum gepflanzt.

Mark Lombardi, 1951 in Syracuse (New York) geboren, starb 2000 in Brooklyn: Lombardi wurde durch seine gezeichneten Schaubilder und Diagramme berühmt. Darin visualisierte er die von ihm recherchierte Verbindungen zwischen der Finanz- und der Politikwelt zur Zeit der Iran-Contra-Affäre und des Einmarschs in Kuwait. Die documenta zeigt u. a. drei seiner großformatigen „Weltkarten“.

Jimmie Durham (72): Der amerikanische Performancekünstler, Autor und Aktivist thematisiert, wie sich Nationen in Architektur manifestieren. Sein wichtigstes Material ist Stein. Auf der documenta zeigt er sein Werk „The History of Europe“, eine Patronenkugel aus dem Zweiten Weltkrieg und ein prähistorisches Steinwerkzeug.

Song Dong (45): Der chinesische Konzeptkünstler verbindet Performance, Installation, Skulptur und Fotografie. Für die documenta hat er einen „Doing Nothing Garden“ geschaffen – einen sechs Meter hohen Berg aus Schutt und organischen Abfällen, der mit Gras und Blumen überwachsen ist.

Mariam Ghani (34): Die US-Künstlerin zeigt in Kassel die Videoinstallation „A Brief History of Collapses“. Sie zieht eine Parallele zwischen dem 1943 zerstörten Museum Fridericianum in Kassel und dem Darul-Aman-Palast in Kabul, der in mehreren Kriegen zerstört wurde.

Rabih Mroué (45): Der libanesische Schauspieler, Regisseur und bildende Künstler beschäftigt sich mit Fragen des Aufzeichnens und Archivierens. In Kassel zeigt er einen Zyklus „The Pixelated Revolution“, in dem Opfer des syrischen Bürgerkrieges selbst die Schüsse, die sie treffen, mit ihren Mobiltelefonen filmen.

Sam Durant (51): Der amerikanische Künstler setzt sich in seinen Klangarbeiten und Installationen mit der amerikanischen Geschichte auseinander, etwa den Kämpfen zwischen den amerikanischen Ureinwohnern und den Siedlern. In Kassel hat er in der Karlsaue ein Gerüst aufgebaut, mit dem er auf die Praxis der Todesstrafe in den USA aufmerksam machen will.

INGO AREND