Jetzt zeig mal ein bisschen Solidarität
Es gibt viele Möglichkeiten, solidarisch zu sein – nicht alle sind gleichermaßen effektiv. Fünf Beispiele
Klatschen
Wann: 2020
Wer: Bundesbürger:innen auf ihren Balkonen
Was: Abendliches Klatschen
Warum: Um die Leistung von Pflegenden in der Coronapandemie zu würdigen
Erfolg: Pflegende äußern relativ bald, dass Klatschen allein ihre Situation nicht verbessert. Nach dieser Kritik wurde 2021 eine Pflegereform verabschiedet, die einigen nicht weit genug geht
Absagen
Wann: Herbst 2021
Wer: Bundesdeutsche Autor:innen
Was: Absage der Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse
Warum: Um den Protest der Autorin Jasmina Kuhnke zu unterstützen, die ihren Auftritt bei der Buchmesse abgesagt hatte, weil die Bühne dafür direkt neben dem Stand des rechtsextremen Jungeuropa Verlags stand. Kuhnke wird seit Langem rassistisch bedroht
Erfolg: Im Netz solidarisieren sich Tausende. In den Feuilletons wird zwischen antirassistischer Solidarität und Meinungsfreiheit abgewogen, meist zugunsten letzterer. Die Buchmesse weist die Forderung, den Jungeuropa Verlag auszuladen, zurück, dies sei rechtlich nicht möglich
Familienpatenschaften übernehmen
Wann: 1984/85
Wer: Londons lesbisch-schwule Community für Bergarbeiter (Lesbians and Gays support the Miners)
Was: Patenschaften für Bergarbeiter und ihre Familien übernehmen und sie mit Geld unterstützen
Warum: Die schwul-lesbische Community fühlte sich in der Thatcher-Ära den Bergarbeitern verbunden, die mit Streiks gegen Zechenschließungen protestierten, weil sie ähnlich an den Rand gedrängt wurden
Erfolg: Der Streik scheitert, am Ende sind sogar Gewerkschaften und die Kumpels selbst darüber uneins. Aber eines bleibt: Die Labour Union entscheidet 1985, für die Rechte von Schwulen und Lesben einzutreten – geschlossen unterstützt von der National Union of Mineworkers
Arbeit verweigern
Wann: 1926
Wer: Hafenarbeiter in Kontinentaleuropa
Was: Weigern sich, britische Schiffe zu entladen
Warum: Unterstützung für den britischen Generalstreik, der wiederum ausgeschlossene streikende Bergarbeiter unterstützen soll
Erfolg: Eher gering. Die Arbeiter beenden den Streik nach 9 Tagen und schließen einen Kompromiss
Arbeits-Brigaden
Wann: 1980er Jahre
Wer: Junge Gewerkschafter
Was: Praktische Hilfe etwa beim Haus- und Straßenbau
Warum: Die sandinistische Revolution in Nicaragua praktisch voranbringen oder ein Bewusstsein für den Kampf in der deutschen Öffentlichkeit schaffen – darüber war man uneinig
Erfolg: Arbeitsökonomisch zweifelhaft, da für den finanziellen Aufwand nicaraguanische Fachkräfte effizienter gearbeitet hätten. Emotional wurde jedoch ein engeres Band zwischen den deutschen Gewerkschaftern und Nicaragua geknüpft und ein Gefühl der Verbundenheit hergestellt