Kriegsreporter mit Haarausfall

Stephen Farrell ist ein Mensch der Sorte, die begriffen hat, dass man die Bequemlichkeit verlassen muss, um zur Wahrheit zu gelangen

Ich bin draußen, ich bin frei!“ waren Stephen Farrells aufgeregte Worte, als er sich gestern per Telefon bei seiner Chefin bei der New York Times meldete. Der irisch-britische Staatsbürger war am 5. September 2009 während eines Aufenthalts in Afghanistan mit seinem Dolmetscher entführt worden. Dies hielten die Medien geheim, um die Sicherheit der beiden Männer nicht zu gefährden. In einem Blitzmilitäreinsatz wurde Farrell unversehrt aus den Händen der mutmaßlichen Taliban-Rebellen befreit.

Der 46-jährige Journalist ist verheiratet und berichtet seit vielen Jahren aus den Kriegsgebieten im Mittleren Osten. Bevor er im Juli 2007 bei der New York Times als Afghanistankorrespondent anfing, schrieb er für die britische Times aus dem Irak und Südasien. Farrell ist Chefblogger für den „At War Blog“ der New York Times.

Kurz vor seiner Entführung befand sich Farrell zusammen mit seinem afghanischen Kollegen und Dolmetscher Sultan M. Munadi in der nordafghanischen Provinz Kundus. Hier wollte er wütende Dorfbewohner interviewen, die den umstrittenen Luftangriff der Nato auf zwei von Taliban entführte Tanklastwagen am vergangenen Freitag überlebt hatten. Dabei wurden sie von Taliban-Kämpfern überfallen und entführt. Bei der Befreiungsaktion durch britische und afghanische Spezialeinheiten wurde der 34-jährige Munadi jedoch getötet.

Der Journalist und Afghanistankenner Stephen Grey bewundert Farrell für dessen unerschrockenen Einsatz in Kriegsgebieten in der britischen Zeitung Telegraph: „Er ist ein Mensch der Sorte, die begriffen hat, dass man die Bequemlichkeit verlassen muss, um zur Wahrheit zu gelangen.“

Für Farrell war es nicht die erste Entführung. Er war bereits im April 2004 in der Nähe von Bagdad gekidnappt worden. Damals habe ihn ein Dorfältester wegen seines für Soldaten typischen kahlen Kopfs als Spion beschuldigt, berichtete Farrell damals in der Londoner Times. Mithilfe eines alten Fotos, das ihn mit lockigen Haaren zeigte, konnte der Reporter damals den Stammesältesten und die Entführer davon überzeugen, dass er kein Feind war. „Sehen Sie, kein Soldat. Nur Haarausfall“, rettete sich Farrell aus der ernsten Situation. So einfach verlief es diesmal nicht. FALLON CABRAL

Ausland SEITE 10