„Mobile Bürgerechte“

VORTRAG Miltiadis Oulios spricht über den politischen Hintergrund von Abschiebungen

■ 39, arbeitet als freier Journalist und Autor und ist aktiv in anti-rassistischen Bewegungen.

taz: Herr Oulios, wozu dient „Theorie der Abschiebung“?

Miltiadis Oulios: Abschiebungen werden nur selten öffentlich – etwa wenn Politiker sie aus populistischen Gründen bei Straftätern fordern. Oder wenn es zu extrem Situationen kommt – beispielweise sich jemand aus Verzweiflung das Leben nimmt.

Gehört das zur „Blackbox-Abschiebung“?

Genau. In vielen Abschiebehaftanstalten ist es schwierig, Leute zu interviewen. Es gibt immer häufiger Sammelabschiebungen. Die Menschen werden am Flughafen in Sicherheitsbereichen abgesondert und vor den anderen Passagieren ins Flugzeug gebracht. Die Polizisten tragen dabei unauffällige Zivilkleidung.

Und worum geht es in Ihrer Theorie?

Wir überlegen, wie es politisch zu bewerten ist, dass Menschen innerhalb einer Einwanderungsgesellschaft, in der Globalisierung und Mobilität die Norm sind, abgeschoben werden. Bei einer Abschiebung prallen der Kampf um Migration, mobile Bürgerrechte und die Reaktion des Staates aufeinander. Es geht um die Rechte, die sich Migranten genommen haben, und die ihnen durch die Abschiebung wieder abgesprochen werden.

Was bedeutet das für die Betroffenen?

Entwurzelung und Aberkennung von Rechten: Sie leben zwar in einer globalisierten Welt, haben aber das Pech, aus einem weniger privilegierten Land zu kommen, und dürfen deshalb nicht selbst entscheiden, wo sie leben. So funktioniert Rassismus heute.

Lässt sich die Institution „Abschiebung“ abschaffen?

In den 1990er Jahren wurden jährlich tausende Polen aus Deutschland abgeschoben. Manche saßen mehrfach im selben Abschiebegefängnis – und kamen immer wieder. Das ist mittlerweile undenkbar, da sich der Rechtsrahmen verändert hat. Mit Hilfe solcher Prozesse könnte die Institution der Abschiebung indirekt abgeschafft werden. Es würden nur noch Sonderfälle wie die Auslieferung von Schwerkriminellen übrig bleiben. Interview:HMM

19 Uhr, Zentralbibliothek