die taz vor 7 Jahren: dieter rulff über die fdp und deren koalitionsaussage
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Kaum hatte der Bundesparteitag der FDP eine Koalitionsaussage zugunsten der Union beschlossen, kam prompt die Antwort aus München. Der Generalsekretär der CSU, Bernd Protzner, ließ den Regierungspartner wissen, daß sich die CSU auch eine Tolerierung einer SPD-Minderheitsregierung vorstellen könne. Sein FDP-Kollege Guido Westerwelle giftete daraufhin zurück: „Ich habe heute Schwierigkeiten, Herrn Protzner zu tolerieren.“

Die Äußerung des CSU-Mannes sorgte um so mehr für Unmut auf dem FDP-Parteitag, als den Delegierten die Aussage zugunsten des bisherigen Bündnisses nicht leichtgefallen war. Zwar mangelt es nicht an programmatischer Gemeinsamkeiten, doch in den Gängen wurde mehrfach die Befürchtung laut, mit ins Stimmungstief gezogen zu werden, wenn man sich zu eng an die Union kette. Andererseits hielt man eine Aussage zugunsten der SPD für ausgeschlossen. Noch. Dagegen sprachen gleich mehrere Faktoren: die mehrheitlich konservativ-wirtschaftsliberale Orientierung der eigenen Klientel, die deutlich ablehnenden Signale der SPD sowie die Furcht, der Überschrift „Umfallerpartei“ ein neues Kapitel hinzuzufügen. Deshalb waren Bündnistreue und Unabhängigkeit gefragt.

Um Unabhängigkeit zu dokumentieren, setzte Westerwelle auf das, was er „Alleinstellungsmerkmale“ nannte. Er ging in seiner Rede auf deutliche Distanz zur Union und erntete dafür weit mehr Applaus und Zustimmung als zuvor der Parteivorsitzende Wolfgang Gerhardt für sein Koalitionsplädoyer. Kohl, so stellte der Generalsekretär klar, sei „nicht der Spitzenkandidat der Koalition, sondern der CDU“. Die Innenpolitik von Kanther sei nicht liberal, sondern konservativ. Die Blümsche Sozialpolitik nannte er sozialdemokratisch, die Außenpolitik der CSU provinziell. Allerdings ließ sich Westerwelle nicht dazu hinreißen, das Ende der Ära Kohl auszurufen. Mit dieser Provokation hatte er im Vorfeld des Parteitages die Debatte um die Orientierung der Liberalen erst ausgelöst.