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Einladend Gärtnern

Ob Garten, Terrasse, Balkon – oder sogar Fensterbank: Wer ein paar Dinge beachtet, kann Wildbienen und dadurch dem gesamten Ökosystem der Umgebung helfen. Das fängt bei der Art der Pflanzen an und hört bei ihrer Herkunft noch nicht auf. Ein bisschen Verwilderung kann auch nicht schaden. Aber nicht immer ist weniger mehr

Schon ein bewusst bepflanzter Blumenkasten trägt seinen Teil zum Wohlergehen der Bienen bei Foto: Philippe Ruiz/imago images

Von Anna Löhlein

Was früher das Geräusch sommerlicher Stille war, das feine Surren der Insekten, ist gewichen. Pestizidbelastung, Bodenversiegelung, Monokulturen – unsere optimierte Land(-wirt)-schaft verdrängt Bienen und andere Insekten. Das ist bekannt und dennoch kann es nicht oft genug zu Bewusstsein gebracht werden. Corinna Hölzel, Referentin für Bienen und Pestizide beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), stellt fest: „Das bienenfreundliche Gärtnern im privaten Bereich ist ein wichtiger Beitrag zum Wildbienenschutz, den eigentlich jeder leisten kann“.

Doch macht die blühende Fensterbank einer engagierten Stadt­gärt­ne­r:in überhaupt Sinn? „Ja, auf jeden Fall“, so die klare Antwort der Expertin, „auch schon ein bewusst bepflanzter Blumenkasten trägt seinen Teil zum Wohlergehen der Bienen bei. Die Allerkleinsten, zu denen viele Arten der Wildbienen zählen, können auf Nahrungssuche keine weiten Strecken zurücklegen und sind daher auf ein nahes Beieinander von Futterquellen angewiesen. Gerade die Stadt bietet gute Möglichkeiten, viele kleine Wildblumeninseln anzubieten.“

Bei der Bepflanzung der Fensterbank – und nicht nur hier – gilt: Finger weg von Blumen mit gefüllten Blüten, wie Geranien. Diese sind durch Zucht so verändert, dass ursprüngliche Staubblätter zu Blütenblättern wurden. Die kleinen Insekten können dadurch nicht zu Pollen und Nektar vordringen, manche dieser Blüten bilden diese Nahrungsmittel auch gar nicht aus. Doch unsere einheimische Flora ist so reich an bunten, formschönen Blumen, dass es sich getrost auf Geranie und Co. verzichten lässt.

Außerdem rät Hölzel zu Kräutern: „Küchenkräuter wie Basilikum, Thymian, Lavendel oder Bohnenkraut sind bei Bienen und Hummeln äußerst beliebt, wenn man sie blühen lässt.“ Im fruchtigen Bereich sind Tomaten und Erdbeeren eine hervorragende Wahl für die Fensterbank. Zum Dank für Nektar und Pollen bestäuben die Insekten die Blüten und ermöglichen so eine reiche Ernte. Eine Win-win-Situation. Auf Balkon oder Terrasse kann die Gemüsezucht zum Beispiel um Zucchini, Gurken und Kürbisse ausgeweitet werden.

Von den zahlreichen Samenmischungen für Wildblumen sind besonders regionale Zusammenstellungen geeignet. „Beim Kauf von Jungpflanzen bitte unbedingt sicherstellen, dass sie aus Biozucht oder einheimischer, nachvollziehbarer Zucht stammen, in der nicht mit Pestiziden gearbeitet wird“, appelliert Hölzel. „Viele der konventionell angebotenen Pflanzen in Gartencentern und Baumärkten werden in Ländern des globalen Südens vorgezogen, in denen Pestizide und Herbizide eingesetzt werden.“ So kann die gut gemeinte bienenfreundliche Pflanze zur Falle werden und Insekten schaden.

Da es unter den Wildbienen viele „Spezialisten“ gibt, ist Vielfalt ein guter Ratgeber. Wie sehr manche Wildbienenarten auf eine bestimmte Blumenart angewiesen sind, zeigt das Beispiel der Glockenblumen-Scherenbiene. Sie ist so gut an die einheimische Glockenblume angepasst, dass sie dort nicht nur bevorzugt ihre Nahrung findet, sondern die Männchen dieser Spezies sie als Schlafplatz nutzen. Auch bei Regen suchen die Glockenblumen-Scherenbienen bevorzugt Schutz in der Glockenblume.

Selbstverständlich gibt es auch weniger wählerische Insekten, die so gut wie alle einheimischen Wildblumen und -kräuter anfliegen und auch unter den Blumen gibt es „Generalisten“. So erfreut sich der Löwenzahn unter nahezu allen Wildbienen- und unzähligen anderen Insektenarten größter Beliebtheit – und fehlt auf keiner Wildblumenwiese. Apropos, kann aus einem raspelkurzen Golfrasen eine insektenfreundliche Wildblumenwiese werden? Natürlich. Doch ist ein Fleckchen Erde erst einmal auf diese Weise „kultiviert“ worden, braucht die Natur ein wenig Unterstützung auf dem Rückweg in ihre wilde Form.

Das bedeutet: Kein Dünger mehr – Wildblumen brauchen nährstoffarme Erde zum Gedeihen. Keine Pestizide – klar. Das Mähen systematisch einschränken. „Einfach gar nicht mehr zu mähen, hätte zur Folge, dass das schneller wachsende Gras den langsameren Blühern die Sonne zum Keimen und Gedeihen nimmt“, so Hölzel, „daher ist ein Rückschnitt in größeren Abständen wichtig.“ Wer das abgemähte Gras dann auch noch beseitigt, um einen Düngeeffekt auszuschließen, kann sich erstmal zurücklehnen. Denn auf eine so vorbereitete Wiesenfläche siedeln sich durch Samenflug bald Wildblumen und -kräuter aus der Nähe an.

Auf diese Weise lassen sich nur Pflanzen aus der engsten Region auf der Wiese nieder, die Nahrung für die ebenfalls hier ansässigen Insekten bieten. „Bewährt hat sich auch das Tauschen und Abgeben von Pflanzen aus Gärten der Umgebung, die sich zum Beispiel schnell vermehren, wie etwa Zitronenmelisse, Katzenminze oder Fette Henne“, fügt Hölzel hinzu.

Und noch ein Wort zur naturnahen Wiese: „Nur etwa ein Viertel der 560 in Deutschland vorkommenden Wildbienenarten nistet oberirdisch. Die meisten Arten graben Röhren bis zu ein Meter tief in die Erde. Dazu brauchen die Winzlinge kahle, sonnige Stellen, wo sie kein dichtes Wurzelwerk behindert.“ Deshalb: Bei „Rasenunfällen“ offene Stellen im Gras einfach offen lassen. Neben solch kahlen Stellen sind Abbruchkanten oder Sandaufschüttungen geeignet. Die Stängel, Blüten oder Brombeerrruten von zurückgeschnittenen Beerensträuchern dienen als Unterschlupf zum Überwintern. Wer hierzulande insektenfreundlich und naturnah gärtnert, sollte unbedingt auf Torf verzichten. Bei dessen Abbau werden andernorts wertvolle Ökosysteme zerstört und zudem riesige Mengen gespeichertem CO2freigesetzt.

Fazit: Naturnahes Gärtnern duldet keine Ausrede. Frei nach dem Naturkundler und Romantiker Goethe: „Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden. Es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.“

Am 20. Mai ist Weltbienentag, hier gibt es mehr Infos zum aktuellen Aktionstag 2022:

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