Katrin Bettina Müller schaut sich in den Galerien von Berlin um

Oh mannomann, was für Riesenformate an den Riesenwänden. Es ist die schiere Größe, die einen zuerst erschlägt in der Ausstellung „Gift gegen Zeit“ des Berliner Malers Jonas Burgert im ehemaligen Druckhaus des Tagesspiegels, heute unter anderem die lokale Residenz der Galerie Blain Southern aus London. Dann versucht das Auge, einen Punkt auf den Leinwänden zu erfassen, und verirrt sich im Gebirge monumentaler Treppen, in den Spalten aufgebrochener Bodenplatten und zwischen den Mummenschanzfiguren von Menschen und Affen. Ausstaffiert, als hätten sie die ethnologische Abteilung eines Museums geplündert und mit Sciene-Fiction-Zitaten gekreuzt, sind diese Figuren in Rituale und Kämpfe verwickelt, als ginge es um das letzte Gefecht auf Erden. Biologische Restmasse, teils bandagiert wie Mumien, tritt an gegen … nicht genau auszumachen, aber garantiert tödlich. Mit der Faust aufs Auge haut diese Malerei zwischen rauer Street Art und fleißigem Hyperrealismus in einem Gestus unbedingter Überwältigung, apokalyptisch aufgemotzt und vor allem laut. Kleinformatig und leise, nicht weniger verliebt in die Malerei und die Geschichte, aber doch mit einem ganz anderen Witz kommt die Kunst dagegen in Peter Dukas Ausstellung „Rameaus Neffe“ daher, zu sehen in der Galerie Zwinger. Auch hier wird irgendein grausames Kasperletheater aufgeführt, Perückenköpfe stecken auf Stecken, historisch Kostümierte à la Rousseau und Robespierre treten in einer Landschaft auf, die alle Anzeichen einer romantischen Kulisse trägt. Ein Haus und eine Höhle glotzen wie ein Totenschädel, derweil der Pinsel in liebliche Farben getaucht das alles ein wenig nach flockigem Rokoko aussehen lässt. Hier will nichts auftrumpfen. Hier fühlt sich der Geist vielmehr von zierlichen Gesten mit makabrem Anflug eingeladen, zu rätseln und zu staunen.

■ Jonas Burgert, „Gift gegen Zeit“, Blain Southern, bis 7. Juli, Di–Sa 11–18 Uhr, Potsdamer Str. 77–87

■ Peter Duka, „Rameaus Neffe“, Zwinger Galerie, bis 21. Juli, Di–Sa 12–18 Uhr, Mansteinstraße 5