Für schmerzfreien Tod

Die Ethik-Kommission des Bundestages fordert Ausweitung der Palliativmedizin statt aktiver Sterbehilfe

BERLIN taz ■ Als Alternative zur aktiven Sterbehilfe fordert die Ethik-Enquete-Kommission des Bundestages eine Ausweitung der schmerzlindernden Medizin für Sterbende und Schwerstkranke. Die Kommission übergab ihren Zwischenbericht zur Palliativmedizin und Hospizarbeit dem Präsidenten des Bundestages, Wolfgang Thierse (SPD). In dem Bericht werden mehrere konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Lage von Schwerkranken und Sterbenden gemacht. Der CDU-Obmann Thomas Rachel sagte, bei der Versorgung von Sterbenden sei Deutschland ein Entwicklungsland.

Der Anspruch auf palliativmedizinische Versorgung müsse im Recht verankert werden, fordert die Kommission. Man habe in Modellversuchen bereits gute Erfahrungen mit schmerzlindernder Medizin gemacht, sagte der SPD-Obmann Wolfgang Wodarg – nur seien die Versuche nicht fortgeführt worden. Die Schuld gab Wodarg dem Wettbewerb der Krankenkassen. „Die Sterbenden und Schwerkranken sind die teuersten Kunden der Krankenkassen. Deswegen wird keine Kasse sich um diesen Kreis bemühen.“ Als Resultat habe man es in Deutschland mit einer Fehlversorgung zu tun: Sterbende würden in Krankenhäuser eingeliefert, obwohl klar sei, dass sie nicht mehr geheilt werden könnten.

Statt in einem Krankenhaus oder Pflegeheim zu liegen, sei es der Wunsch der Patienten, daheim sterben zu können, heißt es in dem Bericht. Um den Patienten diese Möglichkeit zu geben, empfiehlt die Kommission die Einrichtung einer Familien-Hospiz-Karenzzeit. Die Angehörigen würden zur Pflege eines Sterbenden von der Arbeit freigestellt. In dieser Zeit wäre der Freigestellte nicht kündbar, die Zahlung der Lohnkosten sollen dem Arbeitgeber aus Steuermitteln erstattet werden.

Um eine gute ambulante Pflege der Sterbenden zu garantieren, empfiehlt die Kommission die Einrichtung von „Palliativ-Care-Teams“. Hierbei sollen Altenpfleger, Hausärzte und Palliativ-Experten miteinander vernetzt werden, damit die Versorgung besser koordiniert werde. Die Kommission befürwortet vor diesem Hintergrund auch eine Modifizierung der Ausbildung im medizinischen Bereich. Die schmerzlindernde Medizin soll in der Ausbildung für Ärzte und Pflegekräfte ein Schwerpunkt werden.

„Dieser Bericht macht konstruktive Gegenvorschläge zur Euthanasie, wie wir sie in den Niederlanden kennen“, sagte CDU-Kommissionsmitglied Thomas Rachel. Die Zustimmung zur Sterbehilfe sei der Angst vor einem schmerzhaften Tod geschuldet. Sollten die Vorschläge der Komission umgesetzt werden, könne diese Angst gelindert werden.

Die Ideen der Kommission werden jedoch erst in der nächsten Legislaturperiode im Bundestag debattiert werden können, sagte der Kommissionsvorsitzende René Röspel (SPD). Er gehe aber davon aus, dass die Vorschläge vom Parlament umgesetzt würden.

Wie die verbesserte Versorgung mit schmerzlindernder Medizin finanziert werden soll, lässt die Kommission allerdings offen. CSU-Obfrau Barbara Lanzinger verwies darauf, dass die Ausgestaltung der Gesetze Aufgabe des Parlaments sei. Der Psychologe Michael Wunder, sachverständiges Mitglied der Kommission, rief dazu auf, die Debatte nicht von vornherein mit der Finanzierungsfrage zu belasten. Es gehe schließlich um einen menschenwürdigen Tod.SOLVEIG WRIGHT