Umstrittener Alleingang

Der Wimbledon-Ausschluss russischer und belarussischer Tennisprofis wird weiter kontrovers diskutiert. Beim Deutschen Tennis-Bund ist man mit der Entscheidung unzufrieden und fordert eine einheitliche Linie

Vizepräsident Dirk Hordorff vom Deutschen Tennis-Bund hat die Wimbledon-Veranstalter für den Ausschluss russischer und belarussischer Tennisprofis kritisiert. „Es ist äußerst bedauerlich, dass Tennis nicht mit einer Stimme spricht“, sagte Hordorff in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: „Vor ein paar Wochen hat Wimbledon unter anderem mit den anderen Grand-Slam-Turnieren, der ITF, der WTA und der ATP ein Statement abgegeben, wie sie die Sache händeln wollen. Die sieben Beteiligten haben sich auf eine Lösung geeinigt und jetzt hat Wimbledon das im Alleingang aufgelöst.“ In den letzten Wochen durften bei den Turnieren russische Ten­nis­spie­le­r:in­nen unter neutraler Flagge antreten.

Als Reaktion auf den andauernden russischen Angriffskrieg in der Ukraine hatten die Wimbledon-Organisatoren vergangene Woche verkündet, dass Profis aus Russland und Belarus bei dem Rasen-Klassiker vom 27. Juni bis zum 10. Juli nicht dabei sein dürfen. Betroffen davon sind unter anderen der Weltranglistenzweite Daniil Medwedew aus Russland und die Weltranglistenvierte Aryna Sabalenka aus Belarus.

Laut Hordorff müsse über Konsequenzen nachgedacht werden. Beispielsweise, dass in London keine Weltranglistenpunkte vergeben werden. Es gebe in der Tennisszene keinen Streit darüber, dass der Krieg zu verurteilen sei. „Nur die Frage ist, sollen Leute, die damit nichts zu tun haben, die wie Rubljow den Krieg sogar verurteilen, ein Berufsverbot bekommen und sollten die bestraft werden“, sagte Hordorff. „Da kann man verschiedener Meinung sein und ich akzeptiere jeden Standpunkt. Aber ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn das jeder separat händelt, sondern da sollte Tennis eine gemeinsame Antwort haben.“ Dass der Weltverband ITF sich bislang noch nicht geäußert habe, sei ein „Witz“.

Der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees Italiens (Coni) hat sich dagegen hinter die Entscheidung Wimbledons gestellt, russische und belarussische Tennisprofis auszuschließen. Die Organisatoren des Rasenturnier-Klassikers in London seien der Weisung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gefolgt, sagte Coni-Chef Giovanni Malagò der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera.

Auch für die im Mai angesetzten Italian Open spekulierten Medien bereits über einen Ausschluss. „Die Entscheidung obliegt der Regierung. Sie wird den Fall prüfen, die Situation abwägen, dann wird sie eine Wahl treffen und ich bin überzeugt, die beste für das Land“, erklärte der 63-Jährige weiter.

Malagò sprach sich zwar nicht direkt für einen Ausschluss aus, verwies aber auf die Empfehlung des IOC. „Ich wiederhole, in Italien vertrete ich das IOC. Und das Executive Board hat allen Verbänden empfohlen, keine russischen und belarussischen Athleten zu ihren Turnieren und sportlichen Veranstaltungen einzuladen.“

Die Beschwerde des russischen Tennisspielers Andrei Rubljow, der Ausschluss sei diskriminierend und unfair („Wir sind nicht hier, um über Politik zu reden, weil ich darüber gar nichts weiß), erzürnte wiederum den 2021 zurückgetretenen ukrainischen Profi Aleksandr Dolgopolov. Via Instagram schrieb er, die Aussagen von Rubljow seien das „perfekte Beispiel“, warum der Wimbledon-Bann richtig sei. „Er macht genau das, was sein Präsident und die Propaganda jeden Tag tun: LÜGEN!“ Rubljow wisse sehr wohl über die Lage in der Ukraine Bescheid. Er habe vor Kriegsbeginn einen ukrainischen Doppelpartner gehabt und im Verlaufe der ersten Tagen des Krieges am Rande eines Spiels noch „no war“ auf eine Kamera geschrieben. (taz, dpa)