Von Charkiw nach Ahrensburg

You‘ll never walk alone (4): Viele Sport­le­r*in­nen im Norden zeigen angesichts des Ukraine-Kriegs Solidarität. Dmytro Asieiev war in Portugal, als der russische Einmarsch in die Ukraine begann. Er zog er nach Ahrensburg und spielt dort nun im Tischtennis-Verein. Seitdem trainiert er dort Jugendliche. Auch seine geflohene Mutter Yaroslavna engagiert sich beim SSC Hagen Ahrensburg

Als Dmytro noch draußen steht, wird er bereits von Schü­le­r*in­nen begrüßt

Von Lenard Brar Manthey Rojas

Die Sonne scheint auf den Platz vor der Stormarnschule in Ahrensburg. Kinder und Jugendliche warten auf das Tischtennis-Training des Vereins SSC Hagen Ahrensburg. Unter den Wartenden vor der Sporthalle befinden sich auch Dmytro Asieiev und seine Mutter Yaroslavna. Als Dmytro noch draußen steht, wird er bereits von Schü­le­r*in­nen begrüßt, ganz Corona-konform mit einer Berührung der Fäuste. Seit einigen Wochen ist er hier als Trainer tätig.

Als der Krieg ausbrach, machte Dmytro Asieiev Urlaub in Portugal. Wenige Tage später flog der Ukrainer für ein Punktspiel nach Ahrensburg. In den vergangenen Jahren pendelte Asieiev immer wieder zwischen Deutschland und der Ukraine. Seine Wochenenden verbrachte der Sportler häufig wegen Punktspielen in deutschen Hotels, die restliche Woche in Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine. Einen festen Wohnsitz hatte er hier nicht. Seit dem Kriegsbeginn ist er in Ahrensburg geblieben und trainiert Jugendliche beim SSC Hagen.

In den ersten Kriegstagen lebten seine Eltern noch in Chakiw, eine Stadt, deren Bombardierung weltweit durch die Medien ging. Es war eine aufreibende Zeit für Asieiev: „In den ersten vier Tagen habe ich nicht geschlafen“, erzählt der Sportler. Seit seine Eltern sich in Deutschland befinden, gehe es ihm besser.

Sie haben den Krieg und die Bombardierungen noch hautnah miterlebt. Mit einem Auto gelang ihnen die Flucht. Am 10. März erreichten sie Deutschland. Yaroslavna Asieieva, die in der Ukraine als Sport-Professorin tätig war, teilt Dmytros Leidenschaft für Tischtennis, früher spielte sie sogar in der ersten italienischen Liga. Nun engagiert sie sich zusammen mit ihrem Sohn beim SSC Hagen. Über 40 Jugendliche finden sich dienstags, freitags und samstags zum Tischtennis-Training ein.

Die sportliche Betätigung ist für Asieiev sehr wichtig: „Es ist schwer, diesen Krieg auch nur für einen Moment zu vergessen, aber der Sport hilft zumindest dabei.“ Zudem seien er und seine Mutter sehr dankbar für die Unterstützung, die sie vom Verein, aber auch außerhalb des sportlichen Kontextes erhielten.

Derzeit lebt die Familie zusammen im Haus der Mutter eines Vereinskollegen in Bad Oldesloe. Auf die Dauer möchte sie aber eine eigene Wohnung beziehen, um niemanden zu stören. Wenn möglich in einer Großstadt, schließlich sei die Familie das Leben in einer Millionenstadt gewohnt.

Sollten ihre Häuser am Ende dieses Krieges noch stehen, möchten Asieiev und seine Eltern wieder nach Chakiw zurückkehren, aber nur, wenn die Stadt dann noch auf ukrainischem Gebiet liegt und nicht auf russischem.

Nach dem Gespräch, das zwischenzeitlich von einer Spielerin aus dem Verein übersetzt wird, begibt sich Dmytro Asieiev an die Tischtennisplatte und beginnt mit seinem Training: „Ich mag es, die Leute wachsen zu sehen und sie auf diesem Weg zu begleiten.“ Und so begleitet Asieiev nun Jugendliche in Ahrensburg auf ihrem Weg.