berliner szenen
: Namen mit Schall und Rauch

Bei drei Strahlen Mittagssonne hat das Eiscafé schnell ein paar Tische rausgestellt. Ein junges Paar mit Kinderwagen widmet sich voller Genuss den Retro-Varianten Banana-Split und Spaghetti-Eis. Die beiden lächeln sich an und immer wieder auch ihr schlafendes Kind.

Eine alte Spaziergängerin entdeckt die drei und begrüßt sie begeistert. So lange habe sie schon gehofft, die Familie mal zu treffen, sie sei doch neugierig, was es geworden ist. Ein Junge, na dann gratuliere sie herzlich. Und wie heißt er? „Julius Adrian.“ – „WIE heißt er?“ Julius Adrian, wiederholt der Vater. Die alte Frau will ihr Entsetzen nicht verbergen. Sie dehnt ihre Worte. „Julius geht ja noch. Aber? Musste das sein? Aadriijaan?“ Das Paar antwortet nicht, sichtlich angefressen von der schroffen Kommentierung der alten Frau. Die schüttelt den Kopf, bis ihr das Schweigen doch zu ungemütlich wird.

Sie wechselt das Thema. „Meine Tochter und ihre Kinder sind ja Vegetarier, hoffentlich werden sie nicht Diabetiker, das hört man ja manchmal.“ Die jungen Eltern haben ganz offensichtlich keine Lust, sich Eis und Sonnenschein verderben zu lassen, über Ernährung wollen sie jedenfalls nicht reden. Sie wenden sich dem Baby zu, das inzwischen leise Töne von sich gibt. Jetzt versucht es die alte Frau noch mal von vorn. „Nun habe ich den Namen schon wieder vergessen, wie heißt der Kleine noch mal?“ Julius Adrian. „Na, ist vielleicht heute modern.“

Sie hat die Tonlage geändert, es scheint sich um ihre Art des Einlenkens zu handeln. „Für uns hat der Name Tradition, mein Großvater hieß so“, erklärt die junge Frau mit Nachdruck, als wolle sie sich Respekt verschaffen.“ – „Na, das ist doch kein Grund. Mein Großvater hieß Adolf. Hätte ich meinen Jungen jetzt Adolf nennen sollen? Was dann wohl los gewesen wäre.“

Claudia Ingenhoven