Dominatoren eines exklusiven Spiels

Manchester City oder FC Liverpool – Hellblau oder Rot: Die englische Premier League wird auf geradezu gespenstische Weise von diesen beiden Klubs beherrscht – und der Rest läuft mit

Mönchische Aura: Coach Guardiola bedenkt die aktuell fantastische Ausgangslage vorm Spitzenspiel Foto: Phil Noble/Reuters

Aus Manchester Hendrik Buchheister

Es wird wieder Bilder der Herzlichkeit geben, kurz vor Anpfiff des Spiels zwischen Manchester City und dem FC Liverpool, Bilder davon, wie sich Pep Guardiola und Jürgen Klopp die Hand geben, ein paar Worte wechseln, sich umarmen wie alte Freunde. Die Trainer sind Rivalen, sie kämpfen um die Meisterschaft in der Premier League, das Spiel am Sonntag im City-Stadion kommt einem Finale um den Titel in dieser Saison gleich. Trotzdem ist ihr Verhältnis geprägt von Res­pekt. Klopp hat Guardiola gerade wieder einmal zum „besten Trainer der Welt“ erklärt, für Guardiola ist Klopps Liverpool „der schwerste Gegner“ seiner illustren Karriere.

Wenn man so will, haben die beiden Männer an der Seitenlinie mehr Verbindendes als Trennendes. Beide kommen aus dem Ausland, aus Spanien (Guardiola) und Deutschland (Klopp), beide haben vor ihrem Engagement in der Premier League in der Bundesliga gearbeitet (Guardiola beim FC Bayern, Klopp bei Borussia Dortmund) und beide wurden von der englischen Presse angezweifelt, weil der Erfolg in ihrer Anfangszeit in England ausgeblieben war. Aus heutiger Perspektive klingt das absurd. Guardiola hat Manchester City mittlerweile zu drei Meisterschaften (2018, 2019 und 2021) geführt, Klopp gewann mit Liverpool die Champions League (2019) und beendete das 30 Jahre lange Warten auf den Premier-League-Titel (2020). Seit etwa vier Jahren dominieren die Trainer mit ihren Vereinen die beste Liga der Welt, und sie haben die Maßstäbe im englischen Fußball nach oben verrückt.

Der Triple-Mannschaft von Manchester United reichten 1999 noch 79 Punkte zum Titel. Die „Invincibles“ („Unbesiegbaren“) des FC Arsenal kamen 2004 auf 90 Punkte. Der FC Chelsea holte den Titel 2017 mit 93 Punkten. Danach begann die Dominanz von Manchester City und Liverpool, und damit eine Zeit, in der neu definiert wurde, wie viele Punkte nötig sind, um Englands Fußballthron zu erklimmen. 2018 holte Manchester City zum ersten Mal unter Guardiola den Titel, mit sensationellen 100 Zählern – Rekord. In der Spielzeit darauf lieferte sich der Klub mit Liverpool ein episches Rennen um die Meisterschaft. Klopps Mannschaft verlor nur ein einziges Spiel und landete trotzdem hinter der Guardiola-Auswahl, mit 97 Punkten, als bester Vizemeister im englischen Fußball. In Liverpools Meisterjahr 2020 kam die Mannschaft mit 99 Zählern Manchester Citys 100-Punkte-Rekord nahe.

Die Fachleute in England sind sich einig, dass Guardiolas Manchester City und Klopps FC Liverpool zu den besten Mannschaften gehören, die es in England je gab. Bei der Suche nach Gründen dafür kommt man am Geld nicht vorbei. Das von Scheich Mansour üppig alimentierte Manchester City hat seit Guardiolas Ankunft 2016 geschätzt mehr als eine Milliarde Euro ausgegeben. Liverpool wurde erst zur Spitzenmannschaft, nachdem der Klub Transferrekorde für Abwehrchef Virgil van Dijk und Torwart Alisson gebrochen hatte.

City hat seit Pep Guardiolas Ankunft im Jahr 2016 geschätzt mehr als eine Milliarde Euro ausgegeben

Finanzielle Mittel alleine reichen allerdings nicht zum Erfolg. Das zeigt in England zum Beispiel der anhaltende Niedergang von Manchester United. Guardiola und Klopp ist es gelungen, aus ihren Ressourcen – fast – das Bestmögliche zu machen. Sie haben ihren Mannschaften ein System beigebracht, das sie in Perfektion umsetzen. Ergebnis ist eine beeindruckende Konstanz. Manchester City war in der Liga bis Mitte Februar 15 Spiele nacheinander ungeschlagen, Liverpool hat die jüngsten zehn Partien gewonnen. Solche Serien haben die Teams in den vergangenen Jahren immer wieder produziert.

Die Protagonisten sind überzeugt, dass die eigenen Höchstleistungen nur dank der Gegenseite möglich sind. Manchester Citys Stärke ist auch Liverpool zu verdanken und umgekehrt. „Wir haben uns gegenseitig auf wahnsinnige Levels gepusht“, sagte Klopp kürzlich. Er und Guardiola haben erreicht, dass man mittlerweile eine fast perfekte, fehlerfreie Saison braucht, um Meister in England zu werden. Das ist auch in diesem Jahr wieder so. Liverpool kann noch auf 96 Punkte kommen, Manchester City auf 97. Beides hätte in der Vergangenheit oft zum Titel gereicht. Trotzdem kann nur eine der beiden Mannschaften Meister werden.

Das Spiel am Sonntag könnte entscheiden, welche.