wortwechsel
: Heute Aufrüstung – morgen Krieg?

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine stellt auch Deutschlands Außenpolitik auf den Prüfstand. Geht kein Weg an massiver Aufrüstung vorbei? Welche Weichen werden gestellt?

Bundeskanzler Olaf Scholz in der Sondersitzung des Deutschen Bundestages am 27. Februar 2022, drei Tage nach dem russischen Militäreinmarsch in die Ukraine Foto: Bildgehege/imago

„Appell gegen deutsche Aufrüstungspläne: 600 gegen 100 Milliarden. Ein illustrer Kreis aus Wissenschaft, Kunst und Kultur sowie den Gewerkschaften protestiert gegen die geplante massive Steigerung der Militärausgaben“,

taz vom 22. 3. 22

Skepsis aus Erfahrung

Der Artikel von Pascal Beucker sollte von allen Medien übernommen werden. Die Mär von der völlig unterfinanzierten Bundeswehr, der sogar die Unterwäsche ausgeht, ist einer der größten Skandale in Deutschland. Dass die machtvolle Ankündigung des „Sondervermögens“ und der künftigen 2 Prozent Steigerung durch den Bundeskanzler nicht nur im Ausland, sondern vor allem auch im eigenen Land nahezu stürmisch begrüßt wurde, lässt sich nur erklären in der schwindenden Angst vor Kriegen und dem total irrigen Glauben, dadurch den Krieg in der Ukrai­ne zu verkürzen. Es ist bezeichnend, dass die Skepsis gegenüber diesen Vorschlägen vor allem in der älteren Generation vorhanden ist, die sich noch an die schlimmen Kriegszeiten, die lähmenden Kalten-Kriegs-Jahre erinnert.

Jochem Pfriem, Bad Homburg

Atomkrieg … möglich?

Die Nato ist Russland konventionell haushoch überlegen. Die militärische Zurückhaltung der Nato und Deutschlands erklärt sich überhaupt nur aus der berechtigten Angst vor einem atomaren Vernichtungskrieg. Daraus ergibt sich aber auch: Die konventionelle Überlegenheit der Nato hat den russischen Überfall nicht verhindert, auch eine noch besser gerüstete Bundeswehr hätte Russland nicht abgeschreckt.

Militärausgaben der 28 Mitgliedstaaten der Nato 2018: 1.014 Milliarden US-Dollar; Militärausgaben Russlands 2018: 61,4 Milliarden US-Dollar. Den größten Anteil der Nato-Rüstung hatten die USA mit 706 Milliarden US-Dollar.

Jetzt bittet Biden den Kongress um die historisch höchsten Militärausgaben – allein ins Verteidigungsministerium sollen nun 773 Milliarden US-Dollar fließen.

Gerhard Bock, Bremen

Und taz.de schreibt …

Es ist nicht mein Job, den teilweise recht militanten Abrüstungsfans ein schlechtes Gewissen einzureden, aber es könnte gerade die pazifistische Tendenz der westeuropäischen (erst recht der deutschen) Zivilgesellschaft gewesen sein, die Putin zu seinen Angriffen ermuntert hat. Es war seine Entscheidung, Schaf zu sein, sagte der Wolf, als er sein Opfer verspeiste. Jossito

Nichts rechtfertigt dieses wahnwitzige Aufrüstungsprogramm. Der diesem Vorhaben zugrunde liegenden allgemeinen Sediertheit wird dieser Appell aber auch nicht beikommen können. Amante

Die Gretchenfrage, die man sich gefallen lassen muss: Welches Mittel hilft gegen einen Putin (diesen oder den nächsten) außer Abschreckung? Questor

Wo kann man bitte gegen diesen Appell unterschreiben? Militärische Schwäche, dieser Vogel-Strauß-Pazifismus ist brandgefährlich. Was soll denn bitte die Alternative zur Aufrüstung sein? Mit diesem pathologischen Lügner namens Putin? Wir brauchen eine starke europäische Armee, auch eine Nuklearstreitkraft, die Russlands ebenbürtig ist! Frieder Bauer

Ich bin durchaus am Zweifeln, ob ich in heutiger Zeit nochmals den Grundwehrdienst verweigern würde. Andererseits habe ich das Wissen, dass ich innerlich ziemlich sicher zerbrechen müsste, wenn ich gezwungen wäre, andere Menschen zu töten. Wenn ich die Bilder „erfolgreicher“ militärischer Operationen der Ukrainer sehe, die russische Panzer abschießen, muss ich, wie bei den ukrainischen Opfern, gleichfalls an die jungen Männer denken, die in ihren stählernen Särgen zerfetzt und verbrannt werden. Auch diese sind Opfer dieses unnötigen und grausamen Krieges. Denken und fühlen

Wer für die Aufrüstung ist, ist deswegen kein Bellizist. Kriegsverherrlichung ist nochmal eine andere Stufe. Bluesbrothers

„Die eine Frage: Können die Deutschen sich neu erfinden?“, taz vom 26. 3. 22

„Putins Feind ist die Nato. Die Außenpolitik des Westens verlässt sich auf die magische Funktion von Worten: etwas zu sagen ersetzt die Notwendigkeit, etwas zu tun“, taz vom 26. 3. 22

Schwäche des Westens

Die Analyse von Dominic Johnson finde ich insbesondere deshalb so furchteinflößend, weil er die Schwäche westlicher Außenpolitik aufzeigt. Es braucht also dringend einen Politikwechsel …

Günther Janssen, Nürnberg

Demokratische Antwort?

Hallo taz, die Kommentare von Peter Unfried und Dominic Johnson sind – besonders als Doppel – schon harter Tobak. Unfried plädiert unter dem Motto, dass „jetzt Einzelne vorangehen“ müssen, ungeniert für Top-down-Politik. Johnson versteigt sich sogar zu der These, dass beherztes militärisches Eingreifen eine friedlichere Welt hervorbringt. Dazu die steile Behauptung, dass nur Worte nichts bringen, wenn keine Taten folgen. Auch hier ist Waffengewalt gemeint. Das schrei­ben zwar momentan alle Medien und beten die Geschichte vom Deutschland, das sich wandeln müsse, herunter, ob der erschreckenden neuen Einsichten über Putin. Kann dann von abgekoppelten Politikern, die – Zitat – „knallharte europäische Machtpolitik, planetarische Zukunftspolitik und Hegel“ zusammenbringen, etwas wirklich Neues erschaffen werden? Wenn es darum geht, Politik zu verändern, muss diskutiert werden! Besonders, wenn es um grundsätzliche Neuausrichtung geht. Aufrufe wie „Der Appell“ können dazu eine Grundlage bieten. Wenn Weisheiten versagen, sind runde Tische immer noch das bessere Mittel als wohlfeile Entscheidungen Einzelner. Leider führt in der taz das Kriegsgeschehen zu oft zur Kriegslogik. Die Antwort auf Putin muss aber eine demokratische sein. Das dauert, aber es ist gründlicher und sicherer. Jost Peter, Essen